218 J Verbannung der Lindenthal 1787 Caroline v. Schlotheim
schon laͤngst Anlaß zu Unzufriedenheit. Als er schließlich bemerken
mußte, daß ein blutjunger Gardefaͤhnrich) ihm vorgezogen wurde, da
war seine Langmut erschoͤpft. Die der unehelichen Untreue Überfuͤhrte
wurde im November 1787 nach Babenhausen verbannt, wo sie als Mutter
von 7 Kindern Wilhelms mit einem Gnadengehalt abgefunden ihre Tage
verbringen durfte. Mit ihren Kindern, den Haynaus, kam sie nicht
mehr in Bexuͤhrung. Sie heiratete nach einigen Jahren einen Artillerie⸗
offizier, spaͤteren Rentmeister Georg Kleinhans, und starb am 13. Januar
1833 vergessen in demselben Hanau, wo sie einst ihre groͤßten Triumphe
gefeiert hatte.
Wilhelms IX. liebebeduͤrftiges Herz blieb nach der Verbannung
der Lindenthal nicht lange ungetroͤstet. Im Weißensteiner Parke traf
er eines Tages die neunzehnjaͤhrige Caroline v. Schlotheim, die
Tochter eines angeblich in russischen Diensten gestorbenen Offiziers. Sie
war „schoͤn wie der Tag und von einem Liebreiz, der die vortrefflichen
Eigenschaften ihres Charakters widerstrahlte,“ und der leicht entflammte,
„fuͤr das schoͤne Geschlecht leider nur zu schwache“ Fuͤrst wurde schnell
bon einer heftigen Leidenschaft zu ihr ergriffen. Ihr anfaͤnglicher Wider⸗
stand gegen seine Werbungen erhoͤhte noch die Glut seiner Empfindung,
die ihm diesmal wirklich die „wahre Liebe“ zu sein schien. Über die
Art, wie es ihm gelang, den Widerstand der Dame mit Hilfe ihrer
Verwandten zu brechen, gibt es eine Reihe romanhafter, unkontrollier⸗
barer Versionen?). Er selbst erzaͤhlt: „Da ich ihr nur das Herz eines
doppelt so alten, verheirateten Mannes bieten konnte, so drohten Skrupel
meine Hoffnung auf ihren Besitz zu zerstoͤren. Weit davon entfernt,
sie verfuͤhren zu wollen, dachte ich schon an Verzicht, indem ich jeden
Schritt unterließ sie zu draͤngen, als auf einmal meine Liebe und das
theure Wesen, dem sie galt, sich zusammenfanden in einer Hinneigung,
so herzlich, so wahr und so bestaͤndig, wie ich sie nie zuvor empfunden
habe.“ Wie dem auch sein mag, Caroline v. Schlotheim wurde im
1) Es war der spaͤtere beruͤhmte russische General Ferdinand v. Wintzingerode,
der damals aus Hessen fluͤchtete, in kaiserliche, spaͤter in russische Dienste trat und in
den Freiheitskriegen sich als Korvysführer auszeichnete. (1770 z3u Allendorf, * 1818
zu Wiesbaden).
2) Auch die angeblich aus dem Munde der Graͤfin selbst stammenden Erzaͤhlungen
sind mit Vorsicht zu gebrauchen. Besonders gilt dies von den Erinnerungen eines
alten Soldaten (Webern), wonach der Husarenkornett Schaͤffer 1788 die Schlotheim
aus Fritzlar entfuͤhrt und durch diese Heldentat sich den Orden pour la vertu militaire
verdient haben soll. (Sch. war damals erst 16 Jahre alt, wurde erst 1798 Husaren⸗
kornett und erhielt den Orden erst 1815). Die Darstellung des Landgrafen klaͤrt die
Sache natuͤrlich auch nicht auf. Wenn aber das Opfer fuͤr die Schlotheim wirklich
so groß war, wie sie spaͤter zuweilen behauptet haben soll, so ist nicht recht zu be⸗
greifen. wie sie es 33 Jabre lang in ibrer Stellung aushalten konnte.