Preisgabe von Rheinfels 1794
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gedraͤngt hatte. Daß die schwache Besatzung von 2400 Mann, von
der fast ein Drittel auf dem rechten Ufer lag, die altersschwachen Be—
festigungen ohne auswaͤrtige Hilfe lange halten wuͤrde, war kaum an—
zunehmen. Darum raffte Wilhelm L. in aller Eile alles was er
an Ausschußtruppen mit den Garderegimentern vereinigen konnte, zu⸗
sammen, um „wie sein Ahnherr Landgraf Carl vor hundert Jahren“
die alte hessische Rheinfestung zu retten. Am 26. Oktober marschierte
er von Cassel ab, wo er die Landgraͤfin im Schlosse unter dem Schutze
der Buͤrgerschuͤtzen zuruͤckließ, nahm aber den Weg uͤber Hanau, um die
dortigen Depotbataillone mitzunehmen. Der Hauptmann Wiederhold
wurde als Kurier vorausgesandt, erkrankte aber unterwegs und kam
einen Tag zu spaͤt. Am 3. November, morgens 3 Uhr, erhielt der Land⸗
graf zu Bockenheim die „niederschmetternde, unglaubliche und ganz un⸗
erhoͤrte Nachricht,“ daß Resius, eingeschuͤchtert durch die Aussagen
eines angeblichen Deserteurs vom Anruͤcken eines 30 000 Mann starken
Belagerungskorps, in der Nacht des 1. November Rheinfels geraͤumt
habe, um die Besatzung zu retten. Der Landgraf wollte trotzdem weiter⸗
marschieren, um von der Katz aus die Festung wieder zu nehmen, ließ
sich aber durch die Vorstellung, daß dann St. Goar in Flammen auf—
gehen wuͤrde, von diesem Plan abbringen, und Rheinfels blieb verloren.
Der Verlust der seit 1479 in hessischen Haͤnden befindlichen Rheinfestung,
an die sich die schoͤnsten Erinnerungen hessischen Soldatenruhmes knuͤpften,
war schwer; weit schlimmer noch war die Schande, die, beispiellos in
der hessischen Kriegsgeschichte, im ganzen Lande tief empfunden wurde.
Den alten feigen Kommandanten und seine Offiziere traf der ganze Zorn
ihres Kriegsherrn. Ressius, der bei der Raͤumung der Festung kaum der Wut
der empoͤrten St. Goarer Buͤrger entgangen war, wurde am 18. Dezember
zum Tod auf dem Schaffott verurteilt, Oberst Lenz sollte erschossen
werden. Die uͤbrigen Offiziere wurden z. T. schimpflich ausgestoßen, z. T.
zu Festungshaft verurteilt; die beteiligten Regimenter verfielen der Auf—
loͤsung. Die Fuͤrsprache der Landgraͤfin milderte teilweise den harten
Spruch des Kriegsgerichts, doch wurde Resius von Henkershand schimpflich
degradiert und mußte den kurzen Rest seines Lebens hinter den Mauern
von Spangenberg verbringen.) Seine Angebhoͤrigen legten den entehr—
ten Namen ab.
Wilhelm selbst war nicht ganz frei von Schuld an dem Ungluͤck.
1) Hier starb er, 80 Jahre alt, am 19. Maͤrz 1798. Lenz wurde nach Jahresfrist
auf Fuͤrbitte der Landaraͤfin beanadigt und trat dann in preußische Diensie. Er ssarb
1813 zu Hanau—.