212 Wilhelmsbader Fuͤrstenkonvent 1794
aufgestellt werden sollte, uͤber das der Landgraf das Kommando bean⸗
spruchte. Fuͤr die Beschaffung der Kosten war eine Anleihe von 30
Millionen vorgesehen. Schließlich fanden beide Fuͤrsten noch fuͤr gut,
einer antijakobinischen Gesellschaft von Schriftstellern und Gelehrten zur
Aufrechterhaltung der christlichen Religion und der deutschen Reichs⸗
verfassung ihre tatkraͤftige Unterstuͤtzung zu leihen, fuͤr deren Organi⸗
sation und Wirken der bekannte Marburger Professor Heinrich Jung⸗
Stilling einen ausfuͤhrlichen Plan entwarf.
Wilhelm ILX. nahm regen Anteil an den Verhandlungen, verhielt
sich aber den Einzelheiten des Planes gegenuͤber skeptisch, namentlich
was den letzten Punkt betraf, „den Feind mit Broschuͤren statt mit
Kanonen zu bekaͤmpfen“. „In den vier⸗ bis fuͤnfstuͤndigen Sitzungen konnte
ich nur mit Muͤhe meine vivacité unterdruͤcken bei den laͤcherlichen Vor⸗
schlaͤgen, die Edelsheim, Botzheim (die badischen Minister) und Buͤrgell
machten. Da war nur von Zeitungen, Volksaufrufen und Ermahnungen
der Untertanen an ihre Pflichten die Rede, anstatt von einer wohl⸗
organisierten Armee und den Mitteln zu ihrem Unterhalt gegen den ge—⸗
meinsamen Feind.“ Mit allen Reichsstaͤnden, mit der Kaiserin Catharina
von Rußland und den Koͤnigen von England und Daͤnemark wurde
fleißig korrespondiert, aber die Antworten waren groͤßtenteils nichtssagend
oder kuͤhl ablehnend. Nur zwei Deputierte der Stadt Frankfurt
erschienen waͤhrend des Kongresses und erklaͤrten sich namens der Stadt
zu allen Leistungen bereit, „falls der Verein wirklich zu wahrer Consi⸗
denz kaͤme.“ Bei der allgemeinen Interesselosigkeit blieb er aber eine
Totgeburt, wie Wilhelm voraussah.
Am 4. Oktober kehrte der Landgraf nach Cassel zuruͤck, um die Vor⸗
bereitungen zur Hochzeit seiner Tochter Friederike mit dem Erbprinzen
don Bernburg zu treffen. Da kam die Nachricht von dem siegreichen
Vordringen der Revolutionsheere am Rhein. Am 4. und 5. Oktober zogen
die Franzosen in Coͤln und Bonn ein. Die Preußen unter Moellendorff,
der schon laͤngst mit der Republik heimlich unterhandelte, zogen sich ebenso
wie die Oesterreicher uͤber den Rhein zuruͤck und gaben sein linkes Ufer preis.
Am 23. ruͤckten die Franzosen in Coblenz ein, und nun waren von links⸗
cheinischen Festungen außer Luxemburg und Maastricht, das Prinz
Friedrich von Hessen seit fuͤnf Wochen gegen Kleber tapfer ver⸗
teidigte, nur noch Rheinfels und Mainz in deutschen Haͤnden. Nach
der Einnahme von Coblenz aber war Rheinfels ganz besonders in Ge—
fahr; denn das hessische Heer war weit weg in den Niederlanden bei
Nijmwegen, bis wohin Moreau die Armee des Herzogs von Vork zurüuͤck⸗