208 Folgen der preußischen Polenpolitik 1794
erlitten. Wurmb wurde nach Hessen zuruͤckgerufen. Als zugleich mit ihm
die Ungluͤcksbotschaft des Falles von Ypern (17. Juni) mit der Gefangen⸗
nahme von drei hessischen Regimentern eintraf, die vergeblich gegen die
Kapitulation des oͤsterreichischen Genexals v. Salis gemeutert hatten,
da mußte der General die ganze Ungnade seines fuͤrstlichen Herrn ver⸗
spuͤren und seinen Abschied nehmen. Sein Nachfolger wurde der General—
leutnant v. Dalwigk, der die undankbare Aufgabe haͤtte, die Hessen
bei dem Ruͤckzug uͤber die Maas zu kommandieren.
Die Verschlechterung der allgemeinen Kriegslage war nicht zum
wenigsten eine Folge der seit 1793 voͤllig durch die Ruͤcksicht auf Polen
orxientierten preußischen Politik. Nachdem die neue Teilung dieses un⸗
gluͤcklichen Landes einmal beschlossen war, dachte Preußen trotz seiner
neuen Engagements mit den Seemaͤchten nur noch daran, bei der ersten
besten Gelegenheit von dem schon lange lau gefuͤhrten Kampfe gegen
die franzoͤsische Republik loszukommen. Unmittelbar nach dem Siege
bei Pirmasens hatte Friedrich Wilhelm II. den westlichen Kriegs⸗
schauplatz verlassen, um sich nach „Suͤdpreußen“ zu begeben. Landgraf
Wilhelm IX. befand sich grade in Leipzig zum Besuch seines dort stu⸗
dierenden Erbprinzen, als zu seiner schmerzlichen Ueberraschung der Koͤnig
auf der Reise nach Polen dort durchfuhr. Der Herzog von Braun—
schweig legte das Kommando nieder und kam am 4. Februar 1794
durch Cassel und versicherte dem Landgrafen, daß er sich von nun an
garnicht mehr um den preußischen Militaͤrdienst kuͤmmern werde, was
dieser nicht ohne Genugtuung als eine Bankerotterklaͤrung seines Rivalen
ansah. Am 31. Maͤrz besuchte Wilhelm dessen Nachfolger, den Feld⸗
marschall v. Moellendorff in Mainz, „fand aber bei ihm so wenig
Energie, daß ich seit diesem Augenblick die prompte retraite und die
Preisgabe des linken Rheinufers voraussah“. Noch hatte Preußen sich
nicht formell von der Koalition losgesagt, vielmehr schloß das Berliner
Kabinett kurz darauf aus finanziellen Gruͤnden den Subsidienvertrag
bom 19. April ab, in dem es sich verpflichtete, 62400 Mann den See—
maͤchten zur beliebigen Verfuͤgung zu stellen. Moellendorf erhielt aber
zugleich vom Ministerium die Weisung, „in Ruͤcksicht des hoͤheren
politischen und Staatsinteresses“ sich der Forderung Englands zu wider⸗
setzen, das die Truppen in den Niederlanden gebrauchen wollte, wozu
es vertragsmaͤßig berechtigt war. So waren die Verbuͤndeten dort auf
sich allein angewiesen, und der niederlaͤndische Feldzug nahm den oben
berührten ungluͤcklichen Verlauf.
Landgraf Wilhelm war sehr besorgt uͤber diese Wendung der