Erstuͤrmung von Frankfurt 1792
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der Potsdamer Manoͤver gewesen — und, ermutigt durch Dumouriez'
diplomatische Erfolge nach Valmy, versuchte er jetzt auch sein Heil in
Verhandlungen mit dem Koͤnig von Preußen. Am 12. November
schrieb er an Friedrich Wilhelm II. und machte ihm den Vorschlag,
sein „aufgeriebenes Heer durch Einverleibung der hessischen Truppen zu
verjuͤngen“ und sie „zu dem Kriege zu verwenden, der auf Vernichtung
des Hauses Hsterreich ginge, welcher Zweck fuͤr Ew. Majestaͤt noch
wichtiger denn fuͤr Frankreich ist. Nehmen Sie den Landgrafen zu sich
und stellen Sie ihn in Ihrem Heere an. Er wird sich nur allzugluͤcklich
duͤnken, so wohlfeilen Kaufes das Ungluͤck dieses Heeres wieder gut
machen zu koͤnnen.“ Fuͤr diese ihm zugemutete Schwenkung seiner Politik
war der Koͤnig aber doch nicht zu haben, er brannte vielmehr darauf,
die Schmach des Champagnefeldzugs durch einen gluͤcklichen Waffenstreich
wieder abzuwaschen. Es bedurfte auch kaum der Zureden des nach
Cassel gesandten Oberbergrats Freiherrn vom Stein (vgl. oben S. 200
Anm. 2), um den Landgrafen zu tatkraͤftiger Hilfe dabei zu veranlassen.
So kamen die Hessen auf Friedrich Wilhelms II. Begehren, aber nur
um den entscheidenden Schlag gegen die Sansculotten zu tun, der Frank—⸗
furt nach sechswoͤchiger Drangsalierung von ihrer Herrschaft befreite.
Am 28. November uͤberwaͤltigten hessische Husaren die franzoͤsische Be—
satzung von Bergen, und der Weg nach Frankfurt fuͤr das von dem
Koͤnig selbst gefuͤhrte Heer der Verbuͤndeten lag offen. Ruͤchells Drauf—
gaͤngertum uͤberwand das unentschlossene Schwanken des Herzogs von
Braunschweig, der es scheinbar nicht vergessen konnte, daß Custines Sohn
ihm noch vor nicht langer Zeit die Fuͤhrung der gesamten franzoͤsischen
Revolutionsarmee angeboten hatte. Die Ehre des Sturms auf die
Kaiserstadt, deren Kommandant, der Hollaͤnder van Helden, die
Übergabe verweigerte, blieb den Hessen allein vorbehalten. Am ersten
Adventsonntag (2. Dezember), waͤhrend die Kirchenglocken laͤuteten,
drangen sie in die Tore der Stadt ein, und ihr wuͤtendes Feldgeschrei:
Tod dem Custinus! Der Custinus soll sterben! zeigte, daß das Mani—
fest des Franzosen noch nicht vergessen war. Der war aber in Mainz,
und so wurde nur van Helden mit seiner ganzen Besatzung, soweit sie
nicht unter den Bajonetten der erbitterten Hessen fiel, gefangen genommen.
Die moralische Wirkung der Erstuͤrmung von Frankfurt war
noch weit groͤßer als der bloße militaͤrische Exrfolg. Es war die erste
erfolgreiche Waffentat in dem ganzen Kriege, und der Ruhm der Hessen
war in aller Munde. Der Landgraf war sehr stolz auf diesen „fuͤr
uns Hessen ewig unvergeßlichen Ehrentag“ und sonnte sich, als er am