Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Stimmung in Hessen 1792 
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nahm den ihm angetanen Schimpf als persoͤnliche Beleidigung auf sich. 
Die Verbreiter des Custineschen Aufrufs durften sich in Hessens Doͤrfern 
nicht sehen lassen, ohne Gefahr zu laufen, von den erbitterten Bauern 
totgeschlagen zu werden. Im ganzen Lande herrschte kriegerische Stim— 
mung. Hier und da bewaffnete sich das Landvolk, ohne einen dahin— 
gehenden Befehl des Landgrafen abzuwarten, der erst viel spaͤter erfolgte, 
und ungerufen stellten sich die alten verabschiedeten Soldaten freiwillig 
wieder bei ihren Regimentern. Daß die Hessen „keine Pfaffensoldaten 
waren wie die Mainzer“, hatte Custine schon bei dem Überfall auf die 
Salzwerke von Nauheim erfahren muͤssen, wo am 28. Oktober 120 
Hessen zwar von einer mehr als zehnfachen Übermacht nach tapferem 
Widerstand uͤberwaͤltigt wurden, dann aber in Frankfurt alle Anerbietungen 
zum Übertritt mit den Worten abgelehnt hatten: „Bleibt uns vom Leibe! 
Hessen sind wir und wollen auch Hessen bleiben.“ Dieser Überfall von 
Nauheim war auch der einzige militaͤrische Erfolg, dessen sich Custine 
im Hanauischen ruͤhmen konnte. Von den Mauern des kleinen Fleckens 
Markoͤbel rief der Schultheiß, ein alter Veteran, den ihn zur Übergabe 
des Ortes auffordernden Franzosen hoͤhnisch zu: „Hier kommt ihr nicht 
so leicht hinein, wie in Mainz!“ Einen Angriff auf Hanau, wo der 
General v. Donop die Verteidigung leitete und jeden haͤngen zu lassen 
drohte, der von Übergabe auch nur zu sprechen wagen wuͤrde, haben die 
Franzosen uͤberhaupt nicht versucht. So zeigte sich das hessische Land 
und Volk wie eine feste Insel in dem wogenden Meere des Abfalls 
und der Mutlosigkeit, und damals fiel das viel zitierte Wort: O daß 
der Hessen Beispiel ganz Deutschland elektrisieren moͤchte! welch ein Volk 
waͤren wir!) 
Mit Ungeduld wartete waͤhrend der Vorbereitung zum Widerstand 
der Landgraf auf Nachricht von seinen nur ungern bei Verdun unter 
Cassel und benutzte die Gelegenheit, um „dem Landgrafen Mut einzusprechen“. Am 
19. November kam er noch einmal mit einem Brief des Koͤnigs an Wilhelm. Steins 
Einwirkung (uͤbrigens weder von ihm noch von dem Landgrafen in beider Memoiren 
erwaͤhnt) ist von seinen Biographen doch wohl uͤberschaͤtzt worden. In Cassel hatten 
die Vorbereitungen zum energischen Widerstand schon lange vor Steins Eintreffen be⸗ 
gonnen, und es bedurfte auch gewiß nicht des von Pertz erwaͤhnten Briefes Custines 
vom 12. Nov. an den Koͤnig von Preußen (vergl. unten S. 203) um Wilhelm „zu 
uͤberzeugen, wie sehr die Franzosen gegen ihn erbittert seien“; denn lange vorher war 
Custines Manifest erschienen, das den Landgrafen sehr erboste. Der absurde Gedanke, 
daß Wilhelm im Begriff gewesen sei, mit dem Verfasser dieses Manifestes einen Neu— 
tralitaͤtsvertrag abzuschließen, ist schon von Ditfurth(Die Hessen in der Champagne 
141) zuruͤckgewiesen worden. 
1) Goͤchhausen, „Wanderung durch die Rhein- und Maingegend“ (1794) G.77.
	        
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