Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

198 Wilhelm in Cassel Organisiert die Landesverteidigung 
Friedrich von Hessen, nicht wenig erstaunt war, seinen Bruder und 
seinen Neffen (Prinz Friedrich, der aͤlteste Sohn Carls, machte den Feld— 
zug als Volontaͤr mit) ploͤtzlich hier ankommen zu sehn. Dann gings wie 
im Fluge uͤber Aachen, Koͤln, Bonn, Coblenz und Marburg, und schon 
am 17. Oktober war Wilhelm wieder in Cassel. Unterwegs war er 
Zeuge der kopflosen Entmutigung und feigen Bestuͤrzung, die ganz Rhein⸗ 
land ergriffen hatte. „Der panische Schrecken, der in Deutschland vor 
Custine herrschte und an Stelle der seit alters beruͤhmten deutschen Tapfer⸗ 
keit getreten war, ist nicht zu beschreiben. Vom Rhein an waren die 
großen Straßen bedeckt mit Fluͤchtlingen zu Fuß, zu Wagen und zu 
Pferd, was einen niederschmetternden Anblick gewaͤhrte. Das alles hatte 
ein miserabler Franzose mit ein paar tausend Mann und wenigen Feld⸗ 
kanonen zu stande gebracht.“ Auch in Cassel, von wo ihm das Ministe⸗ 
rium schon den Assessor Kopp entgegengeschickt hatte, herrschte Kopf— 
losigkeit und Entmutigung. Man riet dem Landgrafen, wie im Sieben⸗ 
jaͤhrigen Kriege seine Residenz nach Rinteln zu verlegen; davon wollte 
er aber nichts wissen und ließ nur den Kronschatz fuͤr alle Faͤlle nach 
Hannover in Sicherheit bringen. Er hatte jetzt nur den einen Gedanken, 
seine Grenzen zu sichern und den Reichskrieg gegen Frankreich anzufachen, 
„um Deutschland zu retten, wenn es noch moͤglich waͤrer. Und wenn 
damals Custine am Maine festgehalten wurde, so verdankte man das 
auch dem Landgrafen und seinen Hessen, die tatsaͤchlich zur „Vormauer 
Deutschlands“ wurden, wie es in jenen Tagen vielfach ruͤhmend hieß. 
Tag und Nacht arbeitete Wilhelm an den Anstalten zur Landes— 
berteidigung. „Ich beorderte“, heißt es in einem eigenhaͤndigen, deutsch 
geschriebenen Memoire, „bei allen im Lande befindlichen Regimentern 
saͤmtliche beurlaubten Mannschaften ein, schaffte eilends so viel nur vor⸗ 
handene Pferde an, um die zuruͤckgebliebenen Regimenter Gensdarmes 
und Pr. Friedrich⸗Dragoner wieder beritten zu machen, proviantirte Hanau 
und Rheinfels mit dem Hoͤchstnoͤthigen und befahl denen Gouverneurs 
bei Verlust ihres Lebens und Ehre, selbige Vestungen bis auf den letzten 
Mann zu vertheidigen. Der zur Vertheidigung Hessens so wichtige Paß 
hinter Marburg an der Nehbruͤcke wurde mit der Brigade des G. M. 
v. Cochenhausen, 4000 Mann stark, besetzt und von dorten uͤber Ziegen⸗ 
hayn und Hersfeld ein Cordon gezogen, auch letztere Stadt und Gegend 
durch ein starkes Commando Cavallerie und Jaͤger zu Pferde besetzt, 
wozu das Land-Jaͤger⸗Korps zu Pferde und zu Fuß, welches im ganzen 
Lande aufgeboten worden war, allenthalben postirt wurde.“ 
Inzwischen kamen boͤse Nachrichten vom Rhein und Main, wo
	        
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