Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

96 
Ruͤckzug der Invasionsarmee 1792 
das durch Anstauen des Wassers geschwollene Biesmefluͤßchen Halt. 
Als gegen 5 Uhr der Kanonendonner von Valmy nachließ, dann 
gaͤnzlich verstummte, und die Franzosen keine Anstalten zum Ruͤckzug 
machten, brach der Landgraf das Gefecht ab und fuͤhrte bei Anbruch 
der Nacht seine Truppen nach Clermont zuruͤck. Die Hoffnung, den 
Angriff unter guͤnstigeren Umstaͤnden wieder aufnehmen zu koͤnnen, war 
aber umsonst gewesen. 
Schon zwei Tage nach der Kanonenschlacht fing der Herzog von 
Braunschweig an, mit Dumouriez zu unterhandeln. Dazu veran⸗ 
laßte ihn nicht nur die unguͤnstige Lage der Invasionsarmee, die sich 
einem an Zahl und Widerstandskraft ihr weit uͤberlegenen Feinde gegen⸗ 
uͤbersah, sondern auch die Ruͤcksicht auf die preußische Polenpolitik, die 
jetzt im Osten Aussicht auf bequemer zu erlangende Vorteile bot, als 
der Krieg mit der anfangs so unterschaͤtzten Revolutionsarmee versprach. 
Im Heere glaubte man, der Herzog werde wenigstens guͤnstigere Be⸗— 
dingungen fuͤr Lud wig XVI. bei seinen Verhandlungen erwirken. Das 
Gegenteil war der Fall. Der Koͤnig wurde abgesetzt, und am Tage nach 
Valmy die Republik ausgerufen, eine Nachricht, die flammende Be— 
zgeisterung bei den Franzosen weckte. 
Am 1. Oktober kam die niederschmetternde Nachricht von dem Tags 
zuvor begonnenen Ruͤckmarsch der Preußen ins hessische Hauptquartier. 
Der Landgraf erhielt die Aufgabe, den Paß von Clermont so lange zu 
verteidigen und Verdun zu decken, bis die Hauptarmee uͤber die untere 
Maas gegangen sei. Dies geschah unter taͤglichen, heftigen Angriffen 
der Franzosen, denen es aber nicht gelang, die Hessen uͤber die Maas 
zuruͤckzuwerfen. Bei diesen Kaͤmpfen wurde ein hessisches Pikett bei 
Autricourt aufgerieben, und sein Fuͤhrer, der Leutnant v. Lindau, gefangen, 
von den Franzosen aber gut behandelt und nach drei Tagen dem Land— 
grafen wieder zuruͤckgeschickt. General Arthur Dil lon, der tapfere Ver— 
teidiger des Islettespasses, benutzte die Gelegenheit zu einem Versuche, 
den Landgrafen von der Sache der Verbuͤndeten abwendig zu machen. 
In einem Briefe, den er seinem Adjutanten mitgab, wies er auf das 
Recht des geeinten franzoͤsischen Volkes hin, seine Regierungsform selbst 
zu bestimmen, meinte, daß der Landgraf seine Untertanen fuͤr eine Sache 
aufopfere, die ihn nichts angehe, betonte die gefaͤhrliche Lage, in der sich 
die Hessen befaͤnden und versprach ihnen freien Abzug zu verschaffen, 
wenn der Landgraf sich von den Verbuͤndeten zu trennen und das fran⸗ 
zoͤsische Gebiet zu raͤumen gewillt sei. Mit dieser wohl durch das zwei⸗ 
deutige Verhalten der preußischen Heerfuͤhrung genaͤhrten Hoffnung hatte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.