Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Die Hessen bei Verdun 1792 
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und die verachteten Soldaten der Revolution zeigten sich als ebenbuͤrtige 
Gegner und tapfere Verteidiger der neuen Freiheit und des alten Vater⸗ 
landes. Dazu kam das anhaltende trostlose Regenwetter, das den kreidigen 
Boden Lothringens und der Champagne in einen grundlosen Morast 
verwandelte und das Vorwaͤrtsmarschieren unsaͤglich erschwerte. Die 
Verpflegung war schlecht geregelt, und Hunger und ausbrechende Krank⸗ 
heiten taten das ihrige, um der anfaͤnglich vorhandenen Kriegslust den 
Rest zu geben. 
Nachdem die Hauptarmee eine ganze Woche lang bei Verdun un— 
zaͤtig stehn geblieben war, schritt man endlich zum Angriff, der ohne 
Nachdruck und Entschlossenheit gefuͤhrt wurde. Waͤhrend die Haupt⸗ 
armee bei Grandprèè die Argonnen umging, um Dumouriez und 
Kellermann im Ruͤcken anzugreifen, passierte Wilhelm LX. mit den 
Hessen am 11. September das noch die Spuren der kurzen Beschießung 
zeigende Verdun und lagerte jenseits der Maas bei Frommerville. Am 
naͤchsten Tage machte er mit der Garde, den Karabiniers und leichten 
Truppen einen Vorstoß nach Clermont am Ausgange des von den Fran⸗ 
zosen besetzten Argonnenpasses Les Islettes, warf die feindlichen Vor⸗ 
bosten zuruͤck, ließ in Clermont den Freiheitsbaum der Jakobiner um⸗ 
hauen und besetzte dann mit seinem ganzen Korps die Linie an dem 
kleinen Airefluͤßchen, um hier am Rande der Argonnen den Preußen den 
Ruͤcken zu decken. Die stark exponierte Lage der Hessen wurde nach 
einigen Tagen durch 6000 Mann kaiserlicher Truppen verbessert, die sich 
unter dem Befehl des Prinzen Hohenlohe) an den rechten hessischen 
Fluͤgel anlehnten. Da aber beide hohen Herren kommandieren wollten, 
wurde die Einheitlichkeit ihrer Operationen dadurch nicht gefoͤrdert. 
In gespannter Erwartung vergingen so unter kleinen Scharmuͤtzeln 
und Vorpostengefechten einige Tage, bis am 20. September der Donner 
der Kanonen von Valmy auf der andern Seite der Argonnen den Wende⸗ 
punkt des Feldzugs und nach dem Worte Goethes, des bedeutendsten 
Teilnehmers der Kampagne, „eine neue Epoche der Weltgeschichte“ ein⸗ 
leitete. Um 2 Uhr nachmittags ließ der Landgraf Generalmarsch schlagen 
und griff den die Islettes hartnaͤckig verteidigenden Feind hinter Clermont 
an. Eine wuͤtende Kanonade, bei der ein Stuͤckknecht der Artillerie an 
Wilhelms Seite fiel,“ gebot aber dem Vordringen der Hessen uͤber 
1) Friedrich Wilhelm, Prinz von Hohenlohe⸗Kirchberg, k.k. Feldzeugmeister (1732 -96). 
2) Webern, der als Sohn seines Vaters nicht gut auf Wilhelm zu sprechen ist, 
h»ehauptet in seinen „Erinnerungen eines alten Soldaten“, daß der im „verschlossenen 
Wagen sitzende“ Landgraf bei diesem Vorfall auf der Stelle habe umwenden lassen, 
um sofort sans adieu nach Cassel zuruͤckzufahren.
	        
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