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Feldzug in der Champagne 1792 Ruͤchell
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war, die Verbindung mit dem Hauptquartier zu unterhalten, waͤhrend
hessischerseiss der Oberst v. Creutzburg (S. 117) dem Herzoge von
Braunschweig zum gleichen Zweck beigegeben war. Durch die Gunst
seiner Koͤnige fruͤh verwoͤhnt, war Ruͤchell so recht der Typus des da—
maligen preußischen Offiziers, nicht der romantische Held seines Bio—
zraphen, des Undinedichters Fouqué, sondern eher „eine aus lauter
Preußenthum gezogene konzentrierte Saͤure“, wie ihn Clausewitz kenn⸗
zeichnete. Der Verkehr des zu dienstlichen Übergriffen Neigenden mit dem
auf seinen fuͤrstlichen Stand und seinen Charakter als oberster Kriegs⸗
herr der Hessen eifersuͤchtig pochenden Landgrafen gestaltete sich anfangs
recht unerquicklich, bis es dem geschickten Hauptmann Wiederhold
vom hessischen Generalstab gelang, die Gegensaͤtze auszugleichen, der
Landgraf sich an Ruͤchells Wesen gewoͤhnte und seine militaͤrischen Kennt⸗
nisse und Faͤhigkeiten schaͤtzen lernte.
Am 5. September verließen die Hessen Longwy uͤber Longuyon und
Pillon und bezogen am 10. ein Lager auf den Hoͤhen von Grandbras
hei Verdun. An diesem Tage folgte Wilhelm einer Einladung Fried—
rich Wilhelms II. der sich in Regret bei Verdun befand. Auf dem
Wege dorthin traf er in Glorieur den Herzog von Braunschweig mit
seinen Generaͤlen um eine Karte versammelt und in voͤlliger Ratlosigkeit
uͤber die weitere Marschroute. Wilhelm tadelte besonders, daß man den
wichtigen Argonnenpaß Les Islettes bei Clermont nicht besetzte, konnte
aber nachher an der koͤniglichen Tafel nicht erreichen, daß davon die Rede
war, und kehrte recht unbefriedigt am Abend in sein Standquartier zuruͤck.
Mehr und mehr zeigte sich im Lager der Verbuͤndeten eine wach—
sende Enttaͤuschung. Man haͤtte auf einen leichten, schnellen Feldzug
gerechnet, sprach von einer militaͤrischen Promenade nach Paris. Die
zuchtlosen, schlechtgefuͤhrten Rotten der Revolution konnten doch unmoͤg⸗
lich den ersten Soldaten der Welt, den Soldaten Friedrichs des Großen
widerstehn, zumal die Emigranten versichert hatten, daß das franzoͤsische
Volk seine Befreier mit offenen Armen empfangen wuͤrde. Davon war
aber nichts zu merken. Die erwartete niederschmetternde Wirkung des
bombastischen Manifestes, zu dem der Herzog von Braunschweig
seinen Namen hergab, war ebenfalls ausgeblieben. Seine blutruͤnstigen
Drohungen ließen vielmehr die nationale Begeisterung hell aufflammen.
1) Ernst von Ruͤch ell (1754- 18238), ein Pommer. Als Liebling dreier preußischer
Koͤnige avancierte er sehr schnell. 793 Generalmajor, 1797 Generalleutnant. Nahm
1807 als Kriegsminister nach dem Zusammenbruch seine Entlassung.