Wilhelms Beitritt zur Koalition 1792
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wenn große Komplimente und Schmeicheleien diesen denkwuͤrdigen Augen⸗
blick haͤtten versuͤßen koͤnnen, daß ich dann eine beispiellose Genugtuung er⸗
lebte. Gegen Abend zog ich mich zuruͤck, und der Koͤnig schickte mir den seit
der Vereinigung mit den fraͤnkischen Markgrafschaften gestifteten Roten
Adlerorden. Auch der regierende Herzog von Braunschweig empfing
mich mit offenen Armen, als ich ihm mitteilte, daß ich mich verpflichtet
haͤtte, mit 6000 Hessen unter seinem Befehl zu marschieren.“ Der end⸗
giltige Vertrag, der am 26. Juli zu Coblenz abgeschlossen, am 31. zu
Wilhelmsbad ratifiziert wurde, war erheblich unguͤnstiger als die fruͤheren
Entwuͤrfe. Wilhelm verpflichtete sich darin, den ganzen Feldzug auf
eigene Kosten mitzumachen, wogegen der Koͤnig von Preußen sich ver⸗
bindlich machte, dem Landgrafen „nicht nur seine Stimme zur Kurwuͤrde
zu geben, sondern auch in Ansehung des Kostenaufwandes ebenso sehr
als fuͤr sich selbst fur die Entschaͤdigung besorgt zu sein“. Außerdem
hieß es noch im Schlußparagraphen „wird Se. Majestaͤt sich zugleich bei
Sr. Majestaͤt dem Kaiser und beim Kurfuͤrstenkollegium aufs kraͤftigste
fuͤr Se. Durchlaucht den Landgrafen in Ansehung der Kurwuͤrde ver—⸗
wenden“. Das war nicht viel mehr als die schon von Friedrich dem
Großen gespendete vombre d'espérances (G. 180).
Am 12. August 1792 ritt Landgraf Wilhelm IX. an der Spitze des
Regiments Garde unter großem Zulauf und Kundgebungen des Volkes
aus den Toren Hanaus, traf am 15. August in St. Goar ein und uͤber⸗
schritt am naͤchsten Tag mit seinen Truppen den Rhein. Das hessische
Hilfskorps bestand aus acht Bataillonen Infanterie (Garde, Garde⸗Grena⸗
diere, Leibregiment und zwei Grenadierbataillonen), elf Schwadronen
Kavallerie (Seibdragoner, Karabiniers, Husaren), einer kleinen Abteilung
Gardes du Korps und den leichten Truppen des Bataillons Lenz!) und
der Jaͤger nebst dazu gehoͤriger Artillerie. Zum ersten Male seit langer
Zeit hatten die Hessen selber fuͤr die Verpflegung zu sorgen, wofuͤr die
Einrichtungen erst alle neu geschaffen werden mußten, nachher aber bei
dem Versagen der preußischen Intendantur den Truppen sehr zu gute
kamen. Der Marsch ging uͤber Trier und unter stroͤmendem Regen, der
fast waͤhrend des ganzen Feldzugs anhielt, weiter uͤber Luxemburg, Dippach
nach Longwy (29. August), das sich funf Tage zuvor den Preußen und
HÖsterreichern ergeben hatte. Am 28. August traf der preußische Major
1) Beim Ausmarsch dieses 1788 errichteten, im Casseler Jaͤgerhaus untergebrachten
Bataillons kam es in der Nacht zum 16. August zu einer Revolte der bunt zusammen⸗
gewuͤrfelten Mannschaft, wobei die betrunkenen Soldaten Fenster und Tuͤren zerschlugen
und das Mobiliar in die Fulda warfen. Dieser Vorfall gab indirekt Veranlassung zum
Neubau des Kastells anstelle des arg beschaͤdigten Jaͤgerhauses.
Losch, Kurfuͤrst Wilbelm J.