192 Kaiserwahl 1792 Wilhelm in Mainz
Wilhelm II. uͤberreden, statt nach Cassel zuruͤckzukehren, wieder nach
Wilhelmsbad zu gehn, um den am 7. neugewaͤhlten Kaiser Franz zu
begruͤßen.
Der 14. Juli 1792 war der denkwuͤrdige Tag, an dem zum letzten
Male ein roͤmischer Kaiser deutscher Nation mit der Krone Karls des
GBroßen gekroͤnt wurde. Der neue Kaiser Franz II. empfing am 18.
die Gluͤckwuͤnsche Wilhelms und erwiderte sie mit dem dringenden Wunsch,
den Landgrafen als Mitglied der Koalition gegen das revolutionaͤre Frank⸗
reich zu sehn. Die Verhandlungen daruͤber, die preußischerseits der General⸗
leutnant Graf von der Schulenburg fuͤhrte, wurden in Wilhelmsbad
fortgesetzt. Wilhelm war bereit, auf Subsidien zu verzichten, aber er wollte
wenigstens, daß der Koͤnig von Preußen die Verpflegungskosten trage.
Vor allen Dingen verlangte er seinen Anteil an eventuellen Kriegs⸗
entschaͤdigungen und die Stimmen von Kurboͤhmen und Kurbrandenburg
fuͤr die hessische Kurwuͤrde. Ja, sein Ehrgeiz ging so weit, daß er den
Oberbefehl uͤber die verbuͤndete Armee beanspruchte, falls der Herzog
bon Braunschweig aus irgend einem Grunde zuruͤcktreten wuͤrde. Da—⸗
rauf wollte Preußen nicht eingehn, und der Landgraf, der mit seinem
Verzicht auf Subsidien, die ihm doch noch kurz vorher von franzoͤsischer
Seite in Aussicht standen, genug getan zu haben glaubte, wollte nicht
nachgeben. Um ihn umzustimmen, luden beide Monarchen ihn zu der
am 20. Juli in Mainz stattfindenden Fuͤrstenversammlung und ließen
alle Minen der Diplomatie und Überredung spielen. Wilhelm folgte
der Einladung in Begleitung von Waitz und streckte hier vor dem
großen Geschuͤtz der Liebenswuͤrdigkeit und Schmeichelei die Waffen.
„Bei meiner Ankunft,“ erzaͤhlt er, „machte ich zuerst meine Aufwartung
in der Favorite, dem Sommerschlosse des Kurfuͤrsten, wo Friedrich
Wilhelm II. wohnte, dann beim Kaiser in der Residenz. In beiden
Kabinetten mußte ich hoͤren, daß von meinem Schritte der Ruhm und
Vorteil Hessens abhaͤnge, daß man aber, wenn ich nicht marschiere,
nichts fuͤr mein Haus tun koͤnne. Dabei ließ man durchblicken, daß
der Landgraf von Darmstadt dieselben Schritte (wegen der Kur) unter⸗
nommen habe. Als ich wegen der Bedingungen fragen ließ, mußte ich
hoͤren, daß die mit Schulenburg besprochenen null und nichtig seien;
ich mußte mich bis 4 Uhr entschließen, ob ich auf eigene Kosten mar⸗
schieren wollte oder nicht. Der Ehrgeiz, die Lust, mich auszuzeichnen,
uͤberwand alle Bedenken, und so gab ich dem Koͤnig meine Zustimmung
in Gegenwart des Kaisers, der mich mit Lobspruͤchen uͤberhaͤufte. Auch
die Kaiserin war ungemein gnaͤdig gegen mich, und ich muß sagen.