Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Casseler Hofleben Ausfluͤge 
lotte, zog nun aus dem vaͤterlichen Palais in der Koͤnigsstraße) in 
das landgraͤfliche Schloß, wo sie spaͤter durch ihre Wunderlichkeiten 
manchen Anlaß zum Gerede gab. Sie wurde die Nutznießerin des 
Vermoͤgens ihres Oheims, des Prinzen Georg, des juͤngsten Sohnes 
des Landgrafen Carl, eines sparsamen, wohltaͤtigen Fuͤrsten, der auf den 
Lorbeeren seiner kriegerischen Vergangenheit als preußischer und hessischer 
General und kaiserlicher Feldmarschall ausruhend, sich der Foͤrderung 
der Wissenschaft und seiner Bibliothek widmete, bis auch er am 5. Maͤrz 
1755 starb. Der Wegzug der verschwendungssuͤchtigen, sittenlosen Prin⸗ 
zessin Max war am Hofe wenig bedauert worden, am wenigsten von der 
Erbprinzessin Marie, aber die Aufloͤsung der reichen prinzlichen Hof— 
haltung trug nicht wenig dazu bei, das Leben in der Residenz noch stiller 
zu gestalten, wie bisher. Von den fuͤrstlichen Besuchen dieser Zeit er— 
regte namentlich der des „wilden“ Markgrafen Karl von Ans— 
bach (1754) das lebhafte Interesse der kleinen Prinzen, als man um 
der Jagdmarotte dieses sonderbaren Schwagers des Koͤnigs von Preußen 
zu schmeicheln, die Falken aus dem Waldauer Jaͤgerhause ins Schloß 
brachte, um mit ihnen im Goldenen Saal eine regelrechte Beize auf 
kleine Voͤgel abzuhalten. 
Die Erbprinzessin verzichtete gern auf die mageren Freuden des Casseler 
Hoflebens. Fuͤr sie waren es die schoͤnsten Stunden, die sie mit ihren 
Kindern auf gemeinsamen Ausfluͤgen verlebte. Sie bevorzugte dabei den 
Weg durch die Aue an der Fulda entlang nach dem lieblichen Freien⸗ 
hagen, und hier angesichts der silbernen Fuldaschleife mit den dunklen 
Waͤldern der Soͤhre im Hintergrunde feierte sie mit ihren drei Lieblingen 
idyllische Festtage, die ihr wie den Kindern unvergeßlich blieben. Der 
Geburtstag Byllys wurde bei gutem Wetter fast regelmaͤßig in Freien⸗ 
hagen gefeiert. „Das waren vergnuͤgte Tage, wie ich keinen wieder er⸗ 
lebe“ schrieb sie spaͤter nach Kopenhagen und freute sich, daß ihrem ge⸗ 
liebten Bylly Freienhagen besser gefiel, als die Lustschloͤsser des Koͤnigs 
von Daͤnemark. 
Die Erziehung der Kinder wurde der Mutter nicht leicht gemacht. 
Namentlich der aͤlteste, Wilhelm, war ein kleiner Hitzkopf, der mit— 
unter seiner Umgebung durch kindisch ungebaͤrdiges Wesen schwere Stun⸗ 
den bereiten konnte. Die Mutter gab sich die groͤßte Muͤhe, seine Heftig— 
keit zu zuͤgeln, schenkte ihm u. a. einen Ring, der die geheimnisvolle 
Eigenschaft haben sollte, schwarz zu werden, wenn er sich nicht bessere, 
Friedrich II. erwarb das Palais spaͤter aus der Konkursmasse und 
fpaͤteren Hoftheater um, das bis 1909 als solches diente.
	        
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