188 Nurwuͤrde Wilhelm IX. und Ludewig X.
selbst zu Tische zu fuͤhren, waͤhrend eine Volksmenge von angeblich 50- bis
30 000 Neugierigen das Lager umringte. Zur Exinnerung ließ er an
demselben Platze spaͤter eine Saͤule errichten, welche das denkwuͤrdige
Ereignis sowie die Namen der vornehmsten Ehrengaͤste: des Kaiserpaars,
der Bruͤder Leopolds, des Herzogs Albert von Sachsen⸗Teschen mit
Gemahlin, des Koͤnigs Ferdinands JIV. von Neapel mit Gemahlin, der
Kurfuͤrsten von Trier und Coͤln und der Prinzessin von Polen der Nach⸗
welt uͤberlieferte.
Aber der große Aufwand von Muͤhe, Kosten und Liebenswuͤrdigkeit
war umsonst gewesen:; denn als Wilhelm am 23. Oktober nach Cassel
zuruͤckkehrte, brachte er nur ein gnaͤdiges Dankschreiben Leopolds, aber
nicht den ersehnten Kurhut mit heim. Auch die weiteren unablaͤssig
gefuͤhrten Verhandlungen, zu denen Waitz als außerordentlicher Ge—
sandter nach Regensburg und Wien ging, fuͤhrten zu keinem Resultat.
Der katholische Kaiser wuͤnschte keine neue protestantische Kur. Erst
die Folgezeit und die aus den Revolutionskriegen sich entwickelnde Neu⸗
gestaltung des Reiches schufen eine den Plaͤnen des Hessenfuͤrsten guͤnstigere
Lage.
Dagegen sollte es nicht lange dauern, daß man sich der bei Bergen
bewunderten militaͤrischen Macht des Landgrafen erinnerte, und daß
namentlich die geistlichen Kurfuͤrsten, die sich in Frankfurt so ablehnend
verhalten hatten (selbst Mainz hatte nur hoͤfliche Worte gehabt, als es
zum Klappen kam), als Bittsteller bei Wilhelm erschienen, um Schutz
zegen die Fluten der Revolution zu erhalten.
Im Jahre 1791 hatte Wilhelm IX. mehrere Zusammenkuͤnfte mit
dem neuen Landgrafen Ludewig X. von Darmstadth, der im Jahre
zuvor durch den Tod seines Vaters Ludwigs ILX., des alten Pirmasenser
Sonderlings (7 6. April 1790), zur Regierung gelangt war. Ludewig X.
hatte sofort die Residenz wieder nach Darmstadt und auch das Pir-⸗
masenser Regiment Landgraf dorthin verlegt. Jetzt sah er seine Graf⸗
schaft Hanau⸗Lichtenberg (vgl. oben S. 76), die er nur einmal besuchte—
bon den Flammen der Revolution bedroht, und seine Rechte im Elsaß
von den Franzosen gefaͤhrdet. Aus Buchsweiler kamen immer schlimmere
Nachrichten, in den Doͤrfern fing es an zu gaͤren. Im Januar 1791
machte Ludewig X. dem Casseler Vetter zuerst einen mehrtaͤgigen Besuch
und brachte bei dieser Gelegenheit den Plan mit, angesichts des un⸗
1) * 1753 zu Prenzlau, wo sein Vater damals in Garnison stand. Regierte von
1790 bis 1830, seit 1806 als Großherzog Ludewig IJ.