Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Lager bei Bergen 1790 187 
Ziel der hessischen Fuͤrsten, die Kurwuͤrde, Stimmung zu machen. Landgraf 
Friedrichs II. dahin gehende Plaͤne waren mißgluͤckt; sein ehrgeiziger 
Sohn hatte sie aber bald wieder aufgenommen, und jetzt nach dem Tode 
Josephs II. schien die Gelegenheit zur ihrer Verwirklichung besonders 
guͤnstig zu sein. Kurmainz zeigte sich nicht abgeneigt, die hessischen 
Wuͤnsche zu unterstuͤtzen. Ebenso hatte man nach langen Verhand— 
lungen mit Berlin, wobei Prinz Carl, des Landgrafen Bruder, sich 
als Unterhaͤndler bewaͤhrte, von Koͤnig Friedrich Wilhelm II. die Zu—⸗ 
sicherung bekommen, sich der hessischen Anspruͤche auf die neunte Kur 
anzunehmen, fuͤr die als ernstlicher Mitbewerber noch der Herzog von 
Wuͤrttemberg auftrat. Jetzt wurde der Praͤsident Waitz v. Eschen, 
der sich bei dieser Gelegenheit die diplomatischen Sporen verdiente, Ende 
August 1790 nach Frankfurt geschickt, um mit den Vertretern des Kur⸗ 
kollegs Fuͤhlung zu nehmen und die Angelegenheit weiter zu foͤrdern. 
Diese diplomatische Aktion sollte durch das imponierende Aufgebot der 
militaͤrischen Macht Hessens noch eine besondere Unterstuͤtzung erfahren. 
Wilhelm ILX. ließ es sich nicht nehmen, das zu diesem Zwecke bestimmte 
Korps von 8000 Mann (10 Bataillone und 14 Schwadronen) in eigner 
Person anzufüͤhren. Am 17. September 1790 brach er von Cassel auf 
und bezog am 23. auf der Hoͤhe von Bergen, eine halbe Stunde von 
Frankfurt, ein befestigtes Lager, das fuͤr die zahlreichen nach Frankfurt 
stroͤmenden Fremden eine Hauptsehenswuͤrdigkeit waͤhrend der festlichen 
Tage der Kaiserwahl bildete. Wie immer bei solchen Gelegenheiten 
scheute der Landgraf keine Kosten. Er spielte den Liebenswuͤrdigen, gab 
Paraden, Feste und Jagdgesellschaften, welchen die anwesenden Kur⸗ 
fuͤrsten, Reichsstaͤnde und Wahlbotschafter beiwohnten?), und zog die 
hervorragendsten Persoͤnlichkeiten zur Tafel. Nach vollzogener Wahl 
begruͤßte er am 4. Oktober Leopold II. bei seinem Einzuge in Frankfurt 
und hatte am 11. die Genugtuung, den neuen Roͤmischen Kaiser mit 
einer illustren Fuͤrstengesellschaft als Ehrengaͤste bei einer großen Heerschau 
uͤber die gesamten Truppen und dann an seiner, unter einem großen 
tuͤrkischen Zelte aufgeschlagenen Festtafel zu sehen und dabei die Kaiserin 
1) Friedrich Siegmund Waitz v. Eschen gen. Hilchen, * 19. Juni 1745 zu Sontra, 
Sohn des hanauischen Oberkammerrats Joh. Friedr. Hilchen, der von seinem Schwieger⸗ 
bater Jakob Siegm. W. v. E. adoptiert wurde. 1769 Kammerassessor, 1773 Geheimer 
Legationsrat, 1796 Wirkl. Geh. Staatsminister. 1804 in die hessische Ritterschaft auf⸗ 
genommen, wurde er der Stammvater der jetzt noch bluͤhenden Familie der Freiherrn 
W. v. E. 14. Okt. 1808. 
2) Um dieselbe Zeit war Mozart in Frankfurt, um am 15. Oktober ein Konzert 
oder, wie man es damals nannte, eine Academie zu veranstalten, die aber „in betr. 
des Geldes mager“ ausfiel. „Es war zum Ungluͤck ein groß Dejeuné bei einem Fuͤrsten 
und großes Maͤnoͤver von den hessischen Truppen“ (Abert, Mozart 2, 6809).
	        
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