Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Familie Landgraf Wilhelms VIII. * 
Mehr Interesse fuͤr die Kinder als Prinz Friedrich zeigte der Groß⸗ 
vpater. Landgraf Wilhelm war seiner Schwiegertochter, die er auf⸗ 
richtig schaͤtzte, sehr zugetan, und sie erwiderte seine Zuneigung, war aber 
manchmal recht ungluͤcklich, wenn der altmodische Schwiegervater Anord⸗ 
nungen uͤber die Kinder traf, die ihr nicht zusagten, z. B. wenn er An— 
zuͤge fuͤr sie aussuchte, die ihrem Geschmack nicht entsprachen, ohne daß 
sie das offen sagen durfte. Mit ihrer Schwiegermutter hatte Marie nur 
kurze Zeit zusammengelebt. Die aͤlte Landgraͤfin Wilhelmine, geb. 
Prinzessin von Sachsen⸗Zeitz, war schon am 17. Maͤrz 1743 gestorben, 
ein Jahr nach dem Tode der regierenden Landgraͤfin⸗Koͤnigin Ulrike 
Eleonore, die Cassel uͤberhaupt nie betreten hat. Acht Jahre spaͤter 
laͤuteten wieder die Glocken im ganzen Lande und verkuͤndeten, daß Koͤnig 
Friedrich, der tapfere Heerfuͤhrer der Hessen im Spanischen Erbfolge⸗ 
kriege, der Schwager und Nachfolger Carls XII. von Schweden, am 
5. April 1751 zu Stockholm den letzten Atemzug getan hatte. Das 
Hessenland huldigte nun seinem Bruder, der als Wil helm VIII. die 
unumschraͤnkte Regierung des schon seit 21 Jahren von ihm verwalteten 
Landes antrat. Der Landgraf war damals schon fast 70 Jahre alt, 
und das Leben an seinem etikettenstrengen Hofe verlief im allgemeinen 
in eintoͤniger Stille, nur zuweilen durch prunkvolle Familienfeste und ge⸗ 
legentliche Besuche auswaͤrtiger Fuͤrsten zuweilen unterbrochen. Dazu 
gehoͤrten die Hochzeiten der drei lebenslustigen Toͤchter) des Prinzen 
Max, Bruders des Landgrafen, die im Laufe von eineinhalb Jahren 
stattfanden, die letzte in der durch die Trauer um den kurz vorher er⸗ 
folgten Tod des Prinzen ( 8. Mai 1753) gebotenen Stille. Prinz Max, 
der ehemalige Reichsfeldmarschall, der in der Jugend gegen Franzosen, 
Tuͤrken und Spanier gefochten hatte, mußte sich in seinen letzten Jahren 
im aussichtslosen Kampfe mit seinen vielen Glaͤubigern herumschlagen, 
die ihm die verschwenderische Wirtschaft seiner prachtliebenden Gemahlin 
Friederike Kharlotte von Hessen-Darmstadt auf den Hals 
gehetzt hatte. Er sollte eigentlich der Schwiegersohn Peters des Großen 
werden, hatte aber dann auf den Wunsch seines Vaters durch seine Heirat 
wieder ein Band knuͤpfen sollen mit dem lange entfremdeten Darmstaͤdter 
Bruderhofe, zu dem seine Witwe nach seinem Tode alsbald wieder zu⸗ 
ruͤckkehrte. Die einzige unvermaͤhlt gebliebene Tochter des Paares, Char⸗ 
1) Wilhelmine heiratete am 17. Juni 1752 den Prinzen Heinrich von Preußen, 
Bruder Friedrichs des Großen, Friederike am 21. Nob. den Herzog Friedr. August von 
HolsteinGottorp und die juͤngste, Caroline, am 8. November 1558 den Fuͤrsten Friedrich 
August von Anhalt⸗Zerbs.
	        
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