Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Belgischer Aufstand 1789 Schoͤnfeld 
181 
großen militaͤrischen Schaustellungen fesselten. Er fand die preußische 
Armee noch sehr schoͤn, glaubte aber doch gegen fruͤher eine starke 
Neigung zum Luxus und Modeaufwand bei ihr zu entdecken, der ihm 
mißsiel. Uberhaupt war die genußfreudige Atmosphaͤre des Berliner 
Hofes, den er zum ersten Male besuchte, nicht nach seinem Geschmack. 
Die unaufhoͤrlichen Paraden und hoͤfischen Feste, die sich in den zehn 
Tagen seines Aufenthaltes jagten, nahmen ihn dermaßen mit, daß 
er sich mehr uͤberanstrengt fuͤhlte, als in den schlimmsten Tagen des 
schlesischen Feldzugs, ein Eindruck, der sich bei seinen spaͤteren dortigen 
Besuchen regelmaͤßig wiederholte. 
Von Wilhelms damaligen Begleitern schieden Jungken und 
Schlieffen, wie oben (S. 161) erwaͤhnt, schon im Laufe des naͤchsten 
Jahres aus seinen Diensten, und Schlieffen gab dann die Veranlassung 
dazu, daß der Oberstallmeister und Kommandeur der Gardes du Corps 
v. Schoͤnfeld), auch einer der preußischen Lieblinge Landgraf 
Friedrichs II.. bald darauf nachfolgte. Schlieffen war wieder in 
preußische Dienste getreten, aus denen er hervorgegangen war. Als 
die Revolte der Luͤtticher gegen ihren Fuͤrstbischof 1789 der Regierung 
Friedrich Wilhelms II. Gelegenheit bot, dort mit bewaffneter Macht 
einzuschreiten, da erhielt der gewandte Diplomat Schlieffen den Befehl 
uüber das Besatzungskorps und zugleich den Auftrag, von Luͤttich aus 
den zur selben Zeit ausgebrochenen, von Berlin aus heimlich unterstuͤtzten 
Aufstand der Belgier gegen Joseph II. zu dirigieren. Da man nicht 
direkt einen preußischen General zur Organisation der belgischen Frei⸗ 
scharen hergeben wollte, so schlug Schlieffen seinen alten hessischen Kame—⸗ 
raden Schoͤnfeld vor, schrieb deswegen nach Berlin und Cassel und 
wußte dabei geschickt in Wilhelm IX. den Gedanken an die Wieder⸗ 
gewinnung der seit 1430 seinem Hause entrissenen brabantischen Stamm⸗ 
lande zu wecken. Der Traum von dem reichen brabantischen Erbe 
war ja in Hessen eigentlich nie ganz erloschen, im 18. Jahrhundert aber 
seit dem Aussterben der spanischen und oͤsterreichischen Habsburger neu 
belebt worden. Landgraf Carl und seine Soͤhne hatten davon getraͤumt, 
und die hessischen Juristen und Histoxiker hatten das auch von Leibniz 
1) Nik. Heinr. v. Schoͤnfeld (1733 -095) aus der Neumark, bis 1761 in preußischen, 
seitdem in hessischen Diensten, war Stallmeister, Oberschenk und Generaladjutant 
Friedrichs II. gewesen, der ihm den Platz zu dem nach S. benannten Schloͤßchen bei 
Lassel schenkte. Nach seinem brabantischen Abenteuer machte er als preußischer General⸗ 
leutnant den Feldzug von 1793, insbesondere die Belagerung von Mainz, sowie 1794 
den polnischen Feldzug mit und starb danach als Gouverneur von Schweidnitz und 
Ritter des Schwarzen Adlerordens.
	        
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