178 Joseph II. als Schirmer des Reichsfriedens
Lage durchaus gewachsen. Als geborene Prinzessin von Hessen⸗Philipps⸗
thal war sie aus demselben fuͤrstlichen Blute entsprossen, wie ihr Gegner,
und nicht minder von ihrem guten Rechte uͤberzeugt als dieser, setzte sie
alle Hebel in Bewegung, um von auswaͤrts Hilfe zu bekommen, da
sie von allen einheimischen Dienern und Raͤten verlassen war. Hatte
Wilhelm im stillen auf den Beistand des Fuͤrstenbundes gerechnet (dem
er kurz nach seinem Regierungsantritt beigetreten war), so sollte er bald
eine starke Enttaͤuschung erfahren. Der Koͤnig von Preußen, an den
er den Geheimrat v. Veltheim sandte, versicherte zwar, daß er seinem
„wahren Freunde und Blutsverwandten jeden rechtmaͤßigen Antheil und
Zuwachs an Laͤndern und Besitzungen gerne goͤnnen wuͤrde“, hielt aber
den gegenwaͤrtigen Fall zu einer Gebietserweiterung fuͤr gar nicht geeignet
und riet dringend zur Zuruͤckziehung der Truppen, da er sonst als Mit⸗
glied des Niederrheinisch⸗-westfaͤlischen Kreises zur Manutenenz der graͤf-
lichen Herrschaft und Exekution gegen den Landgrafen gezwungen werden
wuͤrde. Noch kuͤhler und ablehnender war die Antwort, die der nach
Hannover gesandte Oberappellationsrat v. Steuben dort empfing. Nun
wollte der Landgraf sich auf guͤtlichem Wege mit seiner Base aus—⸗
einandersetzen und war zu großen Geldopfern bereit, um sie zu einem
Verzicht zu bewegen. Doch Juliane haͤtte sich schon nach Wien gewandt,
und Kaiser Joseph, der traditionellen Gegnerschaft des Hauses
Hessen⸗Cassel gegen sterreich eingedenk, benutzte die Gelegenheit, sich als
Schirmer des Reichsfriedens zu zeigen und den uͤbermuͤtigen hessischen
Vasallen zu demuͤtigen. Die sonst so außerordentlich bedaͤchtig arbeitende
Reichsmaschine lief diesmal mit ungewoͤhnlicher Schnelligkeit. Kaum
14 Tage nach Einreichung der graͤflichen Klage erfolgte schon am
2. April 1787 die Publikation eines Reichshofratsconclusums, worin
die Exekution gegen den Landgrafen beschlossen wurde. Am selben
Tage erging zugleich ein in ungemein scharfen Ausdruͤcken abgefaßtes
kaiserliches Mandat an den Landgrafen, das des Kaisers hoͤchstes Miß⸗
fallen daruͤber aussprach, daß „Deine Liebden sich nicht entsehen, in
Unserm und des ganzen Reiches Angesicht mit straͤflicher Überschreitung
des Land⸗ und Westfaͤlischen Friedens die verwittibte Graͤfin zur Lippe—
Schaumburg landfriedbruͤchig mit Mannschaft und schwerem Geschuͤtz
zu uͤberfallen . .. Wie nun wir sein solch ungerechtes, judikatwidriges
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koͤnnen, also . .. befehlen wir demnach Deiner Liebden ernstlich, so⸗
gleich ... alles in den Stand, wie es gewesen um so gewißer zu
setzen, als ansonst die ausschreibenden Fuürsten des Niederrhein.West⸗