Besetzung der Grafschaft Buͤckeburg 1787 177
des Landes hielt sich der brave Kapitaͤn Rottmann) mit einem Faͤhn⸗
rich und vierzig Mann, durch Scharnhorsts, des ehemaligen buͤckeburger
Militaͤrschuͤlers, Rat unterstuͤtzt, auf dem Wilhelmsstein im Steinhuder
Meer und war nicht zu bewegen, die von dem Grafen Wilhelm erbaute
kleine Inselfestung den hessischen Eroberern auszuliefern. Das eigentliche
Volk zeigte die bei solchen Gelegenheiten gewoͤhnliche Gesinnungslosigkeit.
Die alte Regierung war wegen des Grafen Steuerpolitik nicht sehr be—
liebt gewesen, weshalb Pasor schon vorher dem Landgrafen berichten
zu koͤnnen glaubte, daß die „mehresten Unterthanen gut hessisch gesinnt“
seien. So nahm man die Besetzung des Landes teils gleichguͤltig, teils
sogar mit einem forcierten Enthusiasmus auf, uͤber den die hessischen
Kommissare schon am 21. Februar nach Cassel berichteten: „Die Unter⸗
thanen sind alle herrlich und in Freuden uͤber ihren neuen gnaͤdigsten
Landesfuͤrsten, und in den Wirthshaͤusern hoͤrt man unter dem groͤßten
Freudengeschrei betrunken und unbetrunken einen dem andern zurufen:
Bruder, ich bin nun auch ein Hesse!“ Anders aber war die Aufnahme,
die der Schritt des Landgrafen außerhalb des Laͤndchens fand.
Die militaͤrische Olkupation erregte im ganzen Heiligen Roͤmischen
Reiche ungeheures Aufsehen, und die oͤffentliche Meinung nahm sofort
Partei gegen den Landgrafen, dessen rechtliche Beweggruͤnde man nicht
verstand, ja nicht einmal ahnte. Man fragte sich vergeblich, was wohl
der Anlaß zu dem Einfall der Hessen sei, und schrie uͤberall Zetermordio
uͤber den offenbaren „Landfriedensbruch.“ Das kam der Graͤfinwitwe,
die uͤber Nacht ihren kleinen Sohn seines Erbes beraubt sah, sehr zu
statten, zumal der Landgraf erst viel zu spaͤt der Offentlichkeit eine
„Kurzgefaßte Darlegung der Ursachen, aus welchen Se. des reg. Land⸗
grafen zu Hessen⸗Cassel Hochfuͤrstliche Durchlaucht den vom verstorbenen
Herrn Grafen Philipp Ernst besessenen Theil der Grafschaft Schaum⸗
burg als eroͤfnetes Lehen Hoͤchstdero Hochfuͤrstlichen Hauses zu betrachten
Sich berechtigt glauben“ aus der Feder des gelehrten hessischen Juristen
Ledderhose unterbreitete, die trotz ihrer 178 Folioseiten an dem ungluͤck
lichen Ausgang der uͤbereilten Sache nichts mehr aͤndern konnte.
Die Graͤfinwitwe Juliane?) zeigte sich von Anfang an der schwierigen
H Erx ertrank drei Jahre spaͤter am 7. Januar 1790 infolge eines Ungluͤcksfalles
im Steinhuder Meer.
2) Geb. 8. Juni 1761 als Tochter des Landgrafen Wilhelm von Hessen⸗Philipps—
thal, war sie eine Schwester des tapferen Verteidigers von Gaeta, sowie des Prinzen
Carl, der 1792 vor Frankfurt fiel. Seit 1780 verheiratet, starb sie als Witwe am
9. November 1799.
Losch, Kurfürst Wilbelm J.