176 Vorgeschichte des buͤckeburgischen Abenteuers
burg antreten koͤnnen, ohne von dem damaligen Landgrafen Friedrich II.
als Lehnsherrn daran gehindert zu werden. Wilhelm IX. dachte aber
anders als sein friedfertiger Vater. Ihm waren wohl auch die Einzel—
heiten des komplizierten und langwierigen Rechtsstreites kaum bekannt,
als ihm 1786 der Schaumburger Amtsrat Joh. Georg Pasor davon
exzaͤhlte. Als nun der Landessekretaͤr Kunkell dessen Bericht bestaͤtigte
und die Lehensfaͤhigkeit der „Friesenhaͤuser Posteritaͤt“ leugnete, da ge⸗
nuͤgte ihm das, um ihn zu einem Entschluß zu bewegen, den er nachher
sehr bedauerte. Er hacte gerade die Nachricht vom Tode Friedrichs des
Großen erhalten, dachte an die Rolle, die dieser mit so großem Erfolge
gegenuͤber der Maria Theresia gespielt, und der brennende Ehrgeiz, der
ihn beseelte, gaukelte ihm vor, daß er, wie jener, sein Land um eine
Provinz vergroͤßern koͤnne, wobei er von seinem Rechte jedenfalls noch
fester uͤberzeugt war, als der gluͤckliche Eroberer Schlesiens. Noch war
er sich uͤber die zu unternehmenden Schritte nicht ganz klar, aber als er
von Rinteln wegritt, hinterließ er fuͤr alle Faͤlle dem Amtsrat Pasor
eine fuͤr den General v. Loßberg und den Regierungspraͤsidenten
v. Muͤnchhausen bestimmte versiegelte Ordre, von deren Inhalt keiner
seiner Casseler Minister etwas exfuhr. In Cassel fand er ein noch un—
beantwortetes Schreiben aus Buͤckeburg vor, worin Graf Philipp
Ernst „seiner Obliegenheit nach“ um die nach dem Tode des Land—
grafen Friedrich II. notwendige erneute Belehnung bat. Der Brief blieb
unbeantwortet, und als man nach einiger Zeit von Buͤckeburg aus an—⸗
fragte, ob das Mutungsschreiben auch richtig eingetroffen sei, erfolgte
am 9. November 1786 nur die lakonische Antwort: Ja. Nun wurde
man in Buͤckeburg wohl etwas stutzig, mochte aber die Verzoͤgerung der
Belehnung auf den langsamen Trott des buͤrokratischen Amtsschimmels
setzen, als die Situation sich ploͤtzlich durch den unvermuteten Tod des
Grafen Philipp Ernst veraͤnderte, der am 13. Februar 1787, 64 Jahre
alt, mit Hinterlassung nur eines einzigen, dreijaͤhrigen Soͤhnchens zu
Buͤckeburg starb. Das war der Moment, wo man in Rinteln die hinter⸗
lassene Ordre oͤffnen sollte, und alsbald nach dem Eintreffen der Todes—
nachricht uͤberraschte Wilhelm IX. seine Minister mit der Nachricht, daß
hessische Truppen bereits die Buͤckeburger Grenze uͤberschritten haͤtten,
um das Land als heimgefallenes Lehen fuͤr Hessen in Besitz zu nehmen.
Die Hessen fanden keinen Widerstand und alles schien gut zu gehn.
Die buͤckeburgischen Staatsdiener leisteten ohne Weigerung dem Land—⸗
grafen den verlangten neuen Huldigungseid, das Militaͤr gab seine Ge—
wehre ab und ging ruhig auseinander, und nur im aͤußersten Winkel