Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Erste Erziehung Soldatenspielerei 
brachten Freundin nur englisch sprach, so lernten die Kinder diese Sprache 
zuerst als ihre eigentliche Muttersprache, bis der Einfluß einer Schweizer 
Mademoiselle und des Lausanner Erziehers Stoupanus dem Fran⸗ 
zoͤsischen das Übergewicht gab. Die deutsche Sprache kam bei diesem 
an den damaligen Hoͤfen allgemein uͤblichen Erziehungssystem schlecht 
weg. Die Kinder lernten sie erst spaͤter voͤllig beherrschen. Nach 
einigen Jahren kam dazu dann noch das Daͤnische, das allen Dreien 
ebenso gelaͤufig oder nicht gelaͤufig wurde; denn mit Grammatik und 
Orthographie blieben sie in allen Sprachen immer etwas auf dem 
Kriegsfuß. 
Je mehr das Gluͤck ihrer Ehe dahinschwand, desto fester klammerte 
sich Marie an ihre drei Soͤhne an, die sie mit echt muͤtterlicher Zaͤrt⸗ 
lichkeit liebte. Die Erziehung der Prinzen lag fast ausschließlich in ihren 
Haͤnden. Der Vater war ja nur selten in Cassel, und kam er mal fuͤr 
kurze Zeit aus dem Feldzug oder von seinen Reisen dorthin, so hatte er 
wenig Zeit, sich um die Jungen zu kuͤmmern, die auch noch zu klein waren, 
um ihm ein erzieherisches Interesse abzunoͤtigen. Es lag auch wenig in 
seiner Natur, Einfluß auf andere zu gewinnen, vielmehr ließ er sich selber 
eher leiten, als daß er andere leitete. Seinen soldatischen Neigungen 
entsprechend kuͤmmerte er sich hauptsaͤchlich um die militaͤrische Erziehung 
seiner Soͤhne. Die Soldatenspielerei, die nicht ohne Einfluß auf die 
Charakterentwicklung namentlich des Ältesten sein sollte, fing schon fruͤh 
an. Die erste Erinnerung Wilhelms aus seiner Kinderzeit knuͤpft sich 
an den Moment, wo er und sein Bruder Carl als fuͤnf⸗ und sechs⸗ 
jaͤhrige Knaben in Grenadieruniform als Schildwachen vor der Tuͤr der 
Mutter stehen mußten, als sie den Besuch des Kurfuͤrsten Clemens 
August von Coͤln empfing Mai 1749), desselben Kirchenfuͤrsten, der 
gerade damals in entscheidender Weise in das Leben ihres Gemahls ein⸗ 
griff. Des Sonntags pflegten die juͤngeren Offiziere des Grenadier⸗ 
regiments in das Schloß zu kommen und mit den Prinzen zu exerzieren. 
Bei dem Umgang mit ihnen entstand schon damals eingestandener⸗ 
maßen in dem Prinzen Wilhelm die Vorliebe fuͤr das Militaͤr, die ihn 
Zeit seines Lebens nicht verlassen hat. Nach dem Tode des Prinzen 
Max, des Bruders des Landgrafen (1753), erhielt der erst 10 jaͤhrige 
das Patent als Oberst und Chef des ehemals Spiegel'schen Kavallerie⸗ 
regimentes, dessen Inhaber der Verstorbene gewesen war. Die kind— 
liche Freude uͤber das erste Portepee und uͤber die neue Uniform, deren 
richtige Adjustierung der Vater sorgfaͤltig uͤberwachte, blieb dem spaͤteren 
Kurfuͤrsten unvergeßlich.
	        
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