Schloß Wilhelmshoͤse Loͤwenburg 171
legt, das, genau nach dem Herkules und den Kaskaden orientiert, mit
beiden neuen Schloßfluͤgeln nur durch leichte, bruͤckenartige Gaͤnge ver⸗
bunden wurde, sodaß man zwischen den drei Gebaͤuden und durch die
weiten Bogen der Verbindungsgaͤnge einen freien Ausblick in die An—⸗
lagen des hinten am Berge aufsteigenden Parkes behielt. Im Sommer
1796 konnte man mit der Aufrichtung der riesigen Kuppel beginnen,
aber es dauerte noch zwei Jahre, bis das gewaltige Bauwerk fertig
war, das im Sommer 1798 nach seinem Begruͤnder den offiziellen Namen
Wilhelmshoöͤhe erhielt, der seitdem in goldenen Riesenlettern an der
nach Cassel gelegenen Front des stolzen Schlosses prangt. Die Plaͤne
zu dem Bau entwarf Simon Louis Du Ry, der letzte der großen
Architektenfamilie Y, der kurz nach der Vollendung des Werkes am 23. Aug.
1799 zu Cassel starb. Von der bizarren Idee, den Weißenstein als
roͤmische Ruine zu errichten, wie ihn noch die aͤltesten Stiche im ver—⸗
fallenen Zustand mit Gras und Gestruͤpp uͤberwuchert zeigen, war man
gluͤcklicherweise wieder abgekommen. So siegte der reine Klassizismus,
den Du Ry, der fruͤhere Meister des hessischen Rokoko, in seiner letzten
Periode vertrat. Das neue Schloß war ein Bau von maͤchtiger Wir⸗
kung, der erst durch die haͤßlichen, massiven, glatten Zwischenbauten der
spaͤteren Zeit viel von seiner urspruͤnglichen dreigliedrigen Schoͤnheit ein⸗
gebuͤßt hat.
Die eigentliche Ausfuͤhrung und Vollendung des Baues lag in den
Haͤnden des Casselaners Heinrich Christoph Jussow (1754 -1825), der
seit 1788 Inspektor des fuͤrstlichen Bauwesens und dabei die rechte Hand
des Landgrafen war. Urspruͤnglich Jurist, hatte er sich dann der Archi⸗
tektur zugewandt und sich auf weiten Studienrxeisen in Frankreich, Italien
und England zu einem ausgezeichneten Baumeister entwickelt. Nach eng⸗
lischen Vorbildern und zugleich in Anlehnung an die zerstoͤrte Burg der
Loͤwensteiner bei Oberurf entwarf er die von dem Landgrafen mit Be—
geisterung aufgenommenen Plaͤne zu der mittelalterlichen gotischen Ruine
am Abhange des Hunrodsberges, die von 1793 —-1800 zur Ausfuͤhrung
kamen. Zuerst wurde nur der große Turm aufgefuͤhrt, nach und nach
aber entstand um ihn eine vollstaͤndige Burg mit Kapelle, Ruͤstkammer,
Rittersaal, Turnierplatz und Turnierhaus usw., die, die Wilhelmsbader
Ruine des Landgrafen weit uͤbertreffend, fortan sein Lieblingsaufenthalt
1) *1726 als Sohn Charles Du Ry, 1766 Hofbaumeister, seit 1788 Oberbau—⸗
direktor. Von ihm stammen die hervorragendsten Gebaͤude der Oberneustadt (Rathaus,
Museum, sog. weiße Palais, Waitz'sche Haus, franzoͤsische Hospital, kathol. Kirche u. a.),
die er durch Koͤnigsplatz und Friedrichsplatz mit der Altstadt verband, sowie die Voll⸗
endung des Schlosses Wilhelmsthal.