Das Casseler Theater
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jetzt zu seiner alten haͤuslichen Kost und seinem schlichten Oberrock zuruͤck—
kehren mußte, daß seinem Luxus und somit seiner Eitelkeit, seinem Hoch—
muth und seinen laͤcherlichen Praͤtensionen ein Zuͤgel umgeworfen wurde“,
konnte aber dabei nicht leugnen, daß dieses Handwerkers „Galle gar
maͤchtig geschwollen“ sei. Cassel war unter Wilhelm IX. auf einmal
eine stille Stadt geworden, und mancher sehnte sich nach den guten
Zeiten unter Friedrich II. zuruͤck.
Die Glanzperiode des Theaters war nach der Aufhebung der itali—
enischen Oper, des Ballets und der franzoͤsischen Komoͤdie unwiderruf—
lich vorbei. Das Theater wurde verpachtet und war seit 1785 nur
ein Stationsplatz fuͤr wandernde Schauspielertruppen, unter denen die
Großmannsche sich schon 1785 mit ihren deutschen Schau⸗ und
Singspielen gut eingefuͤhrt hatte. Der Schauspieler Hagemann
brachte sogar Stuͤcke lokalgeschichtlichen Charakters, ein Singspiel „Der
Landgraf von Hessen“, ein Schauspiel „Otto der Schuͤtz“ (1791) und
ein patriotisches Lustspiel „Die Hessen“ (1794) auf die Casseler Buͤhne.
Als in der Himmelfahrtsnacht 1787 das erst vor 14 Jahren von
Friedrich II. erbaute Komoͤdienhaus in Flammen aufging, da unter⸗
stuͤtzte der Landgraf zwar den dabei um seinen ganzen Fundus gebrachten
Direktor Boͤhm und gab ihm die Erlaubnis, auf dem „gruͤnen Theater“
der Aue im Freien zu spielen, wobei sogar die Schauspieler in dem
damals beliebten Moͤllerschen Soldatenstuͤck „Graf Waltrom“ in ge⸗
liehenen echten hessischen Soldatenuniformen auftreten durften, aber das
Komoͤdienhaus wurde nicht wieder aufgebaut. Boͤhm konnte sich in
Cassel nicht halten, und die seitdem im Opernhause auftretenden Schau—⸗
spielertruppen vermochten auch nicht auf einen gruͤnen Zweig zu kommen.
Dabei war Wilhelm IX. mit seiner ganzen Familie ein sehr fleißiger
und aufmerksamer Theaterbesucher, nur durfte die Sache nicht zu viel
kosten. 1790 gewann der Landgraf noch einmal den trefflichen Groß—
mann zu einem mehrjaͤhrigen Auftreten in Cassel, aber Großmann
schrieb an seinen Freund Knigge: „Cassel ist nicht mehr Cassel“, klagte
uͤber die „Okonomie des Hofes“, die Undankbarkeit des Publikums und
erneuerte seit 1792 seinen Vertrag nicht mehr.
Als Wilhelm IX. die Okonomie des Hofes von Grund auf aͤnderte,
beseelte ihn nach seinen eigenen Worten allein »l'idèée de faire renaĩtre
l'ordre et d'employer l'argent pour des monuments de batisse
et pour le bien du pays«. Die Casseler Kunstakademie, die seinen
Regierungsantritt mit der „Hoffnung auf die schmeichelndste Zukunft“
der ihr anvertrauten Kuͤnste begruͤßte, hatte somit allen Grund, wenigstens