Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Militaͤrische Rformen Ackerbau 
acht Regimentern zu zwei Bataillonen neu aufgestellt. Die seit 1760 
unter diesem Namen bestehenden fuͤnf Garnisonregimenter wurden 1788 
in ihre Kantons entlassen, gingen also ein. Die Zusammenlegung der 
bier Dragonerregimenter zu zweien —VV 
Schlieffen, wie uͤberhaupt alle diese militaͤrischen Reformen und Reduk— 
tionen, insbesondere die Neuorganisation des Kriegskollegs, nicht ohne 
Widerstand der alten friderizianischen Raͤte vor sich ging und die dem 
Landgrafen nicht unerwuͤnschte „Retraite“ Schlieffens unv Jungkens 
vorbereitete. Um so stolzer war Wilhelm uͤber das Gelingen der ersten 
großen, von ihm allein geleiteten Manoͤver von 1789, wobei er sich der 
Worte seine Vaters exinnerte: „Wenn Jungken uns mal fehlen sollte, 
alors adieu nos manoeuvres!“ Die Dienstzeit wurde nach ha— 
aauischem Muster (nur etwas laͤnger) auf zwoͤlf Jahre fixiert. Wer 
24 Jahre gedient haͤtte, erhielt eine kleine Monatspension von einem 
Taler, die nach 36jaͤhriger Dienstzeit auf 11/ Taler stieg. Die Be⸗ 
schraͤnkung der Dienstzeit kam der Landwirtschaft zu gut, ebenso wie die 
ofteren Beurlaubungen und die Maßregel, daß ein Teil der Kavallerie 
auf das Land verlegt wurde, wo die Pferde leichter durchgefuͤttert und 
außerdem noch zu Arbeitszwecken verwendet werden konnten. 
Dem platten Lande galt uͤberhaupt Wilhelms weitgehendste Fuͤrsorge. 
Der Bauernstand war in dem vorwiegend ackerbautreibenden Hessen der 
zahlreichste, wichtigste, aber auch aͤrmste Stand. Auf dem Lande sah 
es vielfach schlimm aus. Die Wunden des Siebenjaͤhrigen Krieges 
waren noch nicht geheilt, die Doͤrfer verfallen und verwahrlost, und die 
Bauern hatten gerade so viel, um das Leben zu fristen. Das konnte 
im Handumdrehen nicht anders werden, aber Wilhelm tat viel, um 
Besserung zu schaffen. Zu den damals von ihm durchgefuͤhrten Re⸗ 
formen gehoͤrten die Abschaffung der Amtspachtungen, die Vererbpachtung 
don Domaͤnen und herrschaftlichen Meiereien und die Erleichterung der 
baͤuerlichen Lasten durch Steuernachlaß, Milderung der Hand⸗ und 
Spanndienste und liberale Handhabung der Abnahme von Fruchtliefe⸗ 
rungen. Ein Hufenedikt beschraͤnkte die Unteilbarkeit der geschlossenen 
Bauernguͤter und sorgte zugleich gegen Zersplitterung wie gegen Über⸗ 
handnahme der großen Guͤter. Arbeitssame Untertanen erhielten Vor⸗ 
schuͤsse und Beihilfen zur Tilgung ihrer Schulden. Der Schnapsteufel 
wurde durch die streng durchgefuͤhrte Verminderung der Zahl der laͤnd⸗ 
lichen Branntweinschenken bekaͤmpft, dem damals noch uͤber Gebuͤhr ge⸗ 
fuͤrchtetem Kaffee der Zutritt zum Lande weiter gesperrt und sein Ver— 
zauf nur in einer Reihe von Staͤdten und Amtsorten geduldet. Zur
	        
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