Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Unterrichtswesen Heerwesen 
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Sonntagsfeier durch die Erlaubnis zu Notstandsarbeiten gemaͤßigt und 
der Muͤßiggang der dritten Festtagsfeiern uͤberhaupt aufgehoben. Sechs 
1791 neugegruͤndete Freischulen sorgten dafuͤr, auch den Kindern der 
Armen wenigsten in der Hauptstadt eine leidliche Schulbildung zu ver⸗ 
schaffen. Fuͤr das Land schien die geistliche Kinderlehre und der duͤrftige 
Unterricht der Sommerschulen damals noch auszureichen. 
Die von Friedrich II. begruͤndete gelehrte Gesellschaft der Alter⸗ 
tuͤmer wurde auf die Pflege der deutschen und hessischen Geschichte hin⸗ 
gewiesen und ihr der Gebrauch der deutschen Sprache zur Regel gemacht. 
Diese Germanisierung vermochte jedoch ihren allmaͤhlichen Verfall nicht 
aufzuhalten, der durch die mangelnde persoͤnliche Anteilnahme des Land⸗ 
grafen und die Unfaͤhigkeit ihres Leiters Casparson bes chleunigt wurde. Die 
Marburger Universitaͤt erhielt eine bedeutende Vermehrung ihrer Fonds 
und ihrer Lehrkraͤfte. Die Zahl der neuimmatrikulierten Studenten stieg 
fast um das Doppelte. Cassel verlor zwar das Collegium Carolinum 
mit seinen zum Teil recht namhaften Gelehrten, dafuͤr erhielten diese in 
Marburg einen groͤßeren Wirkungskreis und namentlich die medizinische 
Fakultaͤt einen Zuwachs an tuͤchtigen Lehrern, unter denen der originelle 
Baldinger seine Vorliebe fuͤr das bunte Tuch jetzt auch den hessischen 
Kompagniechirurgen zeigen konnte, die auf Wilhelms Befehl fortan eine 
Zeitlang in Marburg studieren mußten. Statt des Carolinums erhielt 
Cassel 1787 eine Artillerieschule, womit der Landgraf seinen in Hanau 
gescheiterten Plan einer Militaͤrakademie diesmal mit besserem Erfolg 
wieder aufnahm ). 
Große Veraͤnderungen gab es im Heerwesen. In Hanau haͤtte 
Wilhelm nicht genug Soldaten haben koͤnnen, jetzt war er darauf be—⸗ 
dacht den Militaͤretat erheblich einzuschraͤnken. Die Adjutanten Fried⸗ 
richs II. wurden bis auf drei entlassen. Das stark bevorzugte 1. Garde⸗ 
regiment verlor seine Privilegien und wurde den uͤbrigen gleichgesetzt. 
Die Chevauxlegers wurden mit den Dragonern vereinigt, ebenso wie 
die hanauischen Jaͤger und Husaren mit den entsprechenden hessischen 
Korps. Die Schweizergarde ging ein (wurde 1803 wieder neu errrichtet) 
und die Garde du Korps erfuhr eine starke Verminderung von 300 
pferden auf 60. 1788 wurden die kostspieligen Garden uͤberhaupt ver⸗ 
einigt und mit dem hanauischen Grenadierregiment zu zwei Regimentern 
Garde und Garde⸗Grenadiere formiert. Dann wurden bald darauf auch 
die uͤbrigen schwachen Regimenter zusammengelegt und in sieben, spaͤter 
1) Auch die Artillerieschule geriet spaͤter im Laufe der Jahre in Verfall, wurde 
aber im Januar 1805 wieder neu begruͤndet.
	        
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