Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Minister Landesreisen 
161 
nitzt) behielt der Landgraf bei und ergaͤnzte ihren Kreis nur durch die 
Aufnahme seines hanauischen Minister Malsburg (S. 17 Anm. 1). Aber 
sie hatten nicht mehr die gleiche Vertrauensstellung wie fruͤher und mußten 
das, zum Teil auch in materieller Hinsicht, deutlich fuͤhlen. Und als 
Jungken, der als militaͤrischer Zensor dem Landgrafen besonders unbe— 
quem war, anfangs 1789 als Kommandant von Rinteln kalt gestellt 
wurde, da zog Schlieffen es vor, durch seine angebotene und bereitwilligst 
angenommene Entlassung einem gleichem Schicksal zu entgehn. Auch 
Wackenitz und Jungken nahmen darauf noch im selben Jahre ihren Ab⸗ 
schied. Malsburg war schon vorher, am 29. Maͤrz 1788, gestorben, 
und sein Hanauer Mitarbeiter, Oberjaͤgermeister v. Berlepsch, der 
gleichfalls als Minister in den Geheimen Rat eingetreten war, folgte 
ihm im August 1790 im Tode. Sein Nachfolger wurde Moritz Friedr. 
v. Muͤnchhausen (7 8. April 1799). 
Bei Wilhelms selbstherrlichem Wesen und seinem eifrigen Bestreben, 
alles allein zu machen, war der Einfluß der Minister nicht allzugroß. 
Der Landgraf liebte es nicht, durch eine fremde Brille zu sehn, und traute 
nur seinen eigenen Augen. Daher nahm er auch das in Hanau erprobte 
System der regelmaͤßigen Landesbereisungen wieder auf und behielt es 
bis an sein Ende bei. „Es war das einzige Mittel“, sagte er, „um 
Militaͤr und Zivil in Atem zu halten, indem alles sich staͤndig durch 
den Souveraͤn peinlich uͤberwacht wußte“. Schon das erste Regierungs⸗ 
jahr sah ihn in den aͤußersten Winkeln seines Landes von der Nieder⸗ 
grafschaft Katzenellnbogen am Rhein bis zur Grafschaft Schaumburg 
und den entlegenen Ämtern Uchte und Freudenberg an der unteren Weser, 
wo er, wie gewoͤhnlich, unangemeldet und zu Pferde erschien. In allen 
Orten, die er bexruͤhrte, erkundigte er sich nach den geringsten Kleinig⸗ 
keiten, revidierte die Amtsverwaltung der Justizbeamten und das Polizei— 
wesen, inspizierte die Okonomie und die gewerblichen Verhaͤltnisse, be— 
fragte die Pfarrer nach dem Zustande der Sitten ihrer Gemeinden und 
brachte durch sein eifriges Examinieren die Befragten oft in nicht geringe 
Verzweiflung. Alle Beamten, denen er scharf auf die Finger sah, hatten 
vor ihm einen heillosen Respekt, aber der Buͤrger und Landmann sah 
voll Zutrauen und Verehrung zu ihm empor, wenn er auch seine Bitten 
nicht immer erfuͤllt sah. 
1) Wilh. Dietr. v. Wackenitz (1728 — 1805) aus Pommern, der in Preußen in 
Ungnade gefallene ehemalige Held von Zorndorf trat 1763 als General⸗-Major in hessische 
Dienste, wurde Kommandeur des Regiments Gensdarmes, 1772 Generalleutnant und 
Staatsminister, leitete das Finanzwesen. 1789 verabschiedet, F 9. Jan. 1805 zu Cassel. 
Sein Leichnam wurde auf Befehl Kaiser Wilhelms II. 1891 nach Potsdam uͤberfuͤhrt. 
Lossch, Kurfürst Wilbelm J
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.