Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

O Einschraͤnkung der Hofhaltung Lotto Minister 
untersagt wurden, genuͤgte, um keinen Zweifel uͤber seine Stellung zur 
Gallomanie seines Vaters zu lassen. Am 11. November 1785 hoͤrten 
Petites Affiches de Cassel zu erscheinen auf, und ein paar Tage spaͤter 
erhielten die franzoͤsischen Komoͤdianten ihre Entlassung. Wilhelm war 
kein Veraͤchter der franzoͤsischen Literatur und Theaterkunst, das hatte er 
als Regent von Hanau gezeigt. Trotz seiner Antipathie konnte er sich 
auch niemals von der seinen Gesellschaftskreis beherrschenden fremden 
Kultur voͤllig emanzipieren, sodaß er z. B. bis an sein Ende seine Privat⸗ 
korrespondenz ebenso wie seine Memoiren in der Sprache Galliens schrieb. 
Jetzt aber wollte er reine Bahn machen und vor allen Dingen sparen. 
Deshalb mußte auch die kostspielige italienische Oper eingehn, und die 
vortreffliche Hofkapelle Friedrichs II. die namhafte Kuͤnstler ersten Ranges 
zu den ihrigen zaͤhlte, wurde in alle Winde zerstreut. Das war ein 
großer Verlust fuͤr das musikalische Leben Cassels. Aber große Summen 
wurden dadurch gespart, die ganze Hofhaltung uͤberhaupt sehr vereinfacht, 
ganz auf den Hanauer bescheidenen Fuß eingerichtet unter Wegfall aller 
fuͤr uͤberfluͤssig erachteten Ausgaben und Stellen. 
Einer Anregung der Landstaͤnde folgte der Landgraf, indem er das 
seit 1771 bestehende Lotto in Cassel und Marburg aufhob. Am 9. Dez. 
1785 erfolgte der „Sturz dieses Ungeheuers, das gleich dem Vampyr 
sich mit dem tropfenweis ausgepreßten Schweiß des Landes gemaͤstet“ 
und ihm „mehr geschadet hatte als Mißwachs, Maͤusefraß und Hagel⸗ 
schlag“. Hessen⸗Cassel war eins der ersten Laͤnder, in denen das Lotto 
unterdruͤckt wurde. 
Wie die Hofhaltung, so wurde auch die Regierungsverwaltung ver⸗ 
einfacht und das Generaldirektorium mit dem Geheimen Rat vereinigt. 
Die alten Minister und Ratgeber seines Vaters, Wittorf,) Schlieffen,?) 
Buͤrgellv. Fleckenbühl,) Jungken, Wülkenitzo) und Wacke— 
1) Ueber Wittorff vergl. oben GS. 15 Anm. 
2) Martin Ernst v. Schlieffen (1732 -1825) aus Pommern, erst in preußischen, 
seit 1757 in hessischen Diensten, wo er eine glaͤnzende Karriere machte. 1772 General— 
eutnant und Staatsminister, 1789 —92 wieder in preußischen Diensten, lebte seitdem 
als schriftstellernder Privatmann zu Windhausen, wo er 15. Sept. 1828 starb. 
3) Joh. Phil. Franz von Fleckenbuͤhl gen. Bürgell (1733 -96), 1768 Reichs- 
kammergerichtsassessor, 1780 hessischer Staatsminister und Praͤsident des O.Appell.⸗Ge⸗ 
cichts. Der letzte seines Stammes. 
M Friedr. Christian v. Jungken-Müntzer (1782 1806), seit 1777 Komman⸗ 
deur der 1. Garde, 1781 Generalleutnant. Als Gouverneur von Rinteln 1789 ließ er 
sich kurz darauf pensionieren und starb auf seinem Gute Huͤffe bei Pr. Minden. 
5) Conr. Friedr. Ludw. v. Wülkenitz (1728 -95), ein Anhalter, 1768 Geh.Rat 
und Vizepraͤsident, 1778 Praͤsident, trat 1794 in den Ruhestand und starb bald darauf 
auf seinem Gute Reinsdorf in Anhalt.
	        
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