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Franzose uͤber Deutschland“ )) urteilte ganz aͤhnlich: „Der regierende Fuͤrst
ist der liebenswuͤrdigste Mann, den ich unter den Fuͤrsten Deutschlands
fand. Jeder Fremde, den sein Stand, seine Verdienste oder seine Kennt⸗
nisse vom Poͤbel auszeichnen, hat sich an diesem Hofe die beste Aufnahme
zu versprechen. Ich kenne keine Person von so hohem Stande, die einen
Fremden ihre Hoͤhe so wenig fuͤhlen laͤßt, als dieser Fuͤrst. Sein Um—
gang macht so wenig verlegen, daß er allen Leuthen, sowohl in der Wahl
des Stoffes zur Unterredung als auch in wahrer Gefaͤlligkeit zuvorkommt.“2)
Die Hanauer haͤtten sich unter Wilhelms strengem, patriarchalischen
Regiment jedenfalls ganz wohl gefuͤhlt und den Fuͤrsten, dessen landes⸗
vaͤterliche Fuͤrsorge sie selber fast taͤglich beobachten konnten, lieb gewonnen.
Seine Person war allen bekannt, sein Ohr hatte den Wuͤnschen und
Bitten auch des Geringsten seiner Untertanen stets offen gestanden, und
wenn auch sein persoͤnliches Leben manchen Anlaß zu berechtigter Kritik
gab, so hatte dies doch nicht vermocht, die Liebe und Anhaͤnglichkeit
namentlich des von ihm besonders beguͤnstigten gemeinen Mannes zu
beeintraͤchtigen. Unvergessen blieb in Hanau seine aufopfernde persoͤn⸗
liche Taͤtigkeit bei allgemeinen Landeskatastrophen, wie bei der großen
Wassersnot von 1784, wo die Stadt durch die Fluten des Mains uͤber⸗
schwemmt und ihre Haͤuser durch die treibenden Baumstaͤmme des Spes⸗
sarts gefaͤhrdet wurden. Und lange noch erzaͤhlte man sich von seiner
tatkraͤftigen Hilfe beim Brande der „Goldenen Gerste“ am Kanaltore.
Als damals in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1779 ein ganzer
Stadtteil ein Raub der Flammen zu werden drohte, war der Erbprinz
einer der ersten auf der Brandstaͤtte und unermuͤdlich beim Loͤschen und
Helfen taͤtig, bis am naͤchsten Morgen die halbverbrannten Fuͤße ihm
den Dienst versagten. „Damals fuͤhlte ich erst,“ schrieb er spaͤter, „wie
sehr ich Hanau liebte, als diese Stadt, meine zweite Heimat, in Gefahr
stand, vernichtet zu werden.“ Durch Zusammenschießen der Brandtruͤmmer
wurde eine groͤßere Katastrophe verhindert. Die Hanauer jubelten ihm
zu,“) und in ihrer spaͤteren Exinnerung nahm die Person des Erbprinzen
Wilhelms Popularitaͤt in Hanau
1) Er war ebenso wenig ein Franzose wie der andere ein Schweizer, hieß Caspar
Riesbeck und stammte aus Hoͤchst. Seine „Briefe eines reisenden Franzosen uͤber
Deutschland“ erschienen 1783 anonym. Vgl. Bd. 2, 419.
2) Noch nach 40 Jahren erinnerte sich die alte Herzogin von Coburg der ungemeinen
kLiebenswürdigkeit Wilhelms, »qui était le prince le plus poli qu' elle connais-
saitz. (Aus einem Briefe der Herzogin Caroline von Gotha vom 21. Juni 1818.)
3) Das Pathos des Wilhelmsbader Reiseschweizers, der diesen Brand miterlebte
und beschrieb, hat freilich fuͤr uns einen etwas komischen Klang: „Ich sah den erhabenen
Geist des Durchlauchtigsten Erbprinzen in Seiner ganzen Wirksamkeit... Er arbeitete
in einer solchen Anstrengung, daß. Er vielleicht als ein allzutheures Opfer Seiner