Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

152 Das Hanauische Magazin Rationalismus und Toleranz 
Ein getreues Spiegelbild der Hanauer geistigen Interessen bot das 
don dem lutherischen Superintendenten Dr. Stockhausen 1778 be— 
gruͤndete und herausgegebene „Hanauische Magazin“, das unter den 
zahlreichen Journalen der damaligen Zeit nicht das schlechteste war. 
In buntem Durcheinander enthielt es historische und literarische Beitraͤge 
aller Art, brachte die Lektionsverzeichnisse des akademischen Gymnasiums 
nebst Berichten uͤber die Leistungen der Zeichenakademie sowie gemein⸗ 
auͤtzige Anregungen zur Verbesserung der Landwirtschaft und zur Hebung 
der Industrie. Der Bibliothekar des Erbprinzen Wegner beschrieb die 
Einrichtung des von ihm verwalteten Muͤnz⸗ und Medaillenkabinetts, 
der Lehrer der beiden Prinzessinnen Goͤtz handelte uͤber die seltenen 
Voͤgel der Fasanerie. Reisebriefe wie die des jungen Bur y!) aus Italien 
standen neben schuͤchternen Anfaͤngen der durch die Ausgrabungen bei 
Wilhelmsbad angeregten Limesforschung. Andere Artikel dienten der 
zeitgemaͤßen Aufklaͤrung, der religioͤsen Toleranz und eiferten gegen Aber⸗ 
glauben und Fremdwoͤrterunfug. Mit der Verteidigung des ameri⸗ 
lanischen Krieges betrat man sogar das Gebiet der Politik, und schließ⸗ 
lich oͤffnete das Magazin auch der schoͤnen Literatur, den Hanauer 
Poeten sowie der literarischen und Theaterkritik seine Spalten. Den 
Tod seines Begruͤnders Stockhausen (7 1784) vermochte das hanauische 
Magazin freilich nicht lange zu uͤberdauern. Es ging im naͤchsten Jahre 
ein und endete zugleich mit der Regentschaft des Erbbrinzen. 
Stockhausen war auch der Verfasser des neuen Hanauer Gesang⸗ 
buchs von 1779, das anfangs auf nicht unerheblichen Widerstand in 
den Gemeinden stieß, dann aber mehr und mehr Eingang fand und 
mit seinen vom Geiste der Aufklaͤrung redigierten Gesaͤngen die alten 
Kirchenlieder verdraͤngte. Der Siegeszug des Rationalismus war ja 
nicht aufzuhalten. Er brachte neben manchem Unerfreulichen eine weit⸗ 
herzige, von Wilhelm stark unterstuͤtzte Toleranz auf religioͤsem Gebiete, 
die den Katholiken, den Freimaurern, namentlich aber auch den Juden 
zu Gute kam. Die Juden brauchten nicht mehr auf dem Markte die 
ihnen verhaßte Judenfahne aufzustecken und genossen uͤberhaupt das 
Wohlwollen des Erbprinzen, der von ihrem Geschaͤftssinn sich mehr als 
ihm gut war, anstecken ließ. Wilhelm scheute sich nicht, mit seiner Ge— 
mahlin die Hanauer Synagoge zu betreten, wenn es auch immer noch 
1) Friedrich Bur y (1763 1828), Sohn des Professors B. an der Zeichenakademie, 
Portraͤt- und Historienmaler zu Berlin, Lassel und Hanau, bekannt durch seine Freund— 
schaft mit Goethe. Spaͤter Lehrer der Kurvrinzessin Auguste.
	        
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