Theater in Hanau Geistiges Leben 151
Die Hanauer dankten ihm besonders für das Theater, dessen regel⸗
maͤßige Spielzeit der Buͤrgerschaft manche geistige Anregung und lite⸗
rarischen Genuß verschaffte. Auch die Gesellschaftsauffuͤhrungen im
Schlosse reizten zur Nachahmung und bewirkten, daß im Saale der
„Zwei Loͤwen“ in der Vorstadt eine von den Herren Maͤusehold und
Steitz geleitete Liebhabergesellschaft zeitweise Theater spielte. Nach der
Bernardischen kam seit 1778 die Neuhaus' sche Truppe regelmaͤßig
nach Hanau und wurde von dem Regenten durch ein monatliches Abonne⸗
ment von 800 fl. uͤber Wasser gehalten. Ihr Mitdirektor Moͤssel gab
zuerst dort den Hamlet. Von einheimischen Dramatikern konnte der erb⸗
prinzliche Leibarzt Kempf seine medizinische Komoͤdie „Peter Squenz“
aufgefuͤhrt sehen. Auch Opern waren in dem Hanauer Repertoire, wie
der dem Erbprinzen gewidmete „Toͤpfer“ Johann Andrés. Fuͤr
Musik hatte Wilhelm sonst nicht viel Sinn. Er ließ aber seine Toͤchter
durch den Hofmusikus Schroͤdter, der mit nach Cassel ging, zu guten
Klavier⸗ und Harfenspielerinnen ausbilden. Die juͤngste, Prinzessin
Faroline, die sich besonders fuͤr Opern und Singspiele interessierte,
bereicherte spaͤter das Repertoire des Casseler Theaters durch die Noten
von Neuerscheinungen auf diesem Gebiete, die sie ihrem Vater zum
Geburtstag schenkte.
In Hanau, das bereits seit 1678 in der „Europaͤischen Zeitung“
eine der aͤltesten deutschen Zeitungen besaß, herrschte ein reges geistiges
Leben, das durch die Existenz der hohen Landesschule sogar einen aka⸗
demischen Anstrich hatte. Neben den beiden Akademien, von denen die
Zeichenakademie hauptsaͤchlich kunstgewerblichen Zwecken diente, bestanden
noch eine Anzahl von Privaterziehungsinstituten, wo verhaͤltnismaͤßig
zahlreiche Auslaͤnder, Englaͤnder, Hollaͤnder und Schweizer, sich zugleich die
Vorteile der doppelsprachigen ) Neustadt zu Nutze machen konnten. Eins
von diesen Instituten leitete der Konsistorialrat Bergstraͤsser, der
Erfinder der „Synthematographik“, eines optischen Telegraphen, der „bei
Kriegsvorfaͤllen eine Korrespondenz in unabsehbare Weiten“ ermoͤglichen
sollte. Die dritte Hanauer Hochschule, Wilhelms Militaͤrakademie, hatte
nur kurze Zeit bestanden (vgl. S. 85). Ihr bedeutendster Lehrer war
Lancrin, ein ungemein fleißiger Schriftsteller, der zuletzt noch seine
unfreiwillige Muße in der Babenhaͤuser Festungshaft (vgl. S. 131) zur
Ausarbeitung seiner Berg⸗ und Salzwerkskunde benutzte, eines Werkes,
das seinen Ruf bis in seine kuͤnftige Heimat Rußland trug.
9— Verordnungen an die Neu⸗Hanauer wurden in dieser Zeit noch in franzoͤsischer und
deutscher Sprache zugleich erlassen.