Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

150 Ruͤckblic auf Wilhelms Hanauer Regentenzeit 
Der Fortgang des bisherigen Regenten wurde in Hanau sehr be— 
dauert. Bedeutete seine 21 jaͤhrige Regierungszeit doch eine Bluͤteperiode 
fuͤr die ganze Grafschaft, die nicht so bald vergessen wurde. Besonders 
galt das fuͤr die Hauptstadt des Landes, die den Verlust des Hofes 
schmerzlich empfinden mußte. Nicht nur in materieller Hinsicht, obwohl 
die Stadt es natuͤrlich empfindlich merkte, daß sie keine Residenz mehr 
war. Doch blieben ihr alle Regierungsbehoͤrden erhalten, da Hanau 
noch jahrzehntelang seine gesonderte Verwaltung behielt. Es blieb ihr 
auch das Militaͤr, nur die letzten Hannoveraner zogen im Febr. 1786 
ab, da nach dem Tode des Landgrafen Friedrich die schon laͤngst nicht 
mehr gefaͤhrdete Assekurationsakte nicht weiter militaͤrisch geschützt zu 
werden brauchte. Gar manches Denkmal hinterließ Wilhelm, das seinen 
Namen unvergeßlich mit der Entwickelungsgeschichte Hanaus verband. 
Die Stadt war weder ein kleines Athen noch ein Florenz geworden, und 
auch das bei Wilhelms Regierungsantritt von allzu optimistischen Fest⸗ 
poeten prophezeite „trajanische“ Zeitalter war fuͤr sie nicht gekommen. 
Aber es gehoͤrt doch eine dreiste Vergewaltigung der Wahrheit dazu, 
um von dem Begruͤnder der Zeichenakademie, des Theaters, der fuͤrst⸗ 
lichen Bibliothek, des Medaillenkabinetts, des Wilhelmsbades zu sagen 
(wie Kapp in seiner Geschichte des Soldatenhandels das tut): „Selbst 
der Schein von Bildung und Kunst war ihm zuwider“. Anders urteilte 
der weit herumgekommene Schwede Bjoͤrnstahl h), der den Prinzen einen 
„großen Freund der Wissenschaften“ nannte und in seiner Bibliothek 
mit Hochachtung vor den vielen von Wilhelms eigner Hand mit enormem 
Fleiß ausgearbeiteten historischen und genealogischen Manuskripten stand 
und uͤberhaupt seinen kuͤnstlerischen, wissenschaftlichen und landesfürsorg⸗ 
ichen Bestrebungen warme Anerkennung zollte. 
Ein eigentlicher Maͤzen ist Wilhelm freilich nicht gewesen, dazu war 
er zu oͤkonomisch veranlagt. Seine persoͤnlichen Leistungen auf dem 
Gebiete der Wissenschaft wie als Zeichner und Radierer waren durchaus 
dilettantischer Natur und z. T. nur Spielereien wie das von ihm noch 
immer gern betriebene Arbeiten an der Drehbank. Auch unter den 
Bauten, die er in und bei Hanau hinterließ, befindet sich kein Denkmal 
von bedeutendem kuͤnstlerischen Wert. Vielleicht war das landschaftliche 
Auge bei ihm noch am besten entwickelt, sodaß ihm die gaͤrtnerischen 
Anlagen im Schloßpark und in der Umgebung von Wilhelmsbad be— 
sonders gluͤckten. 
i Fae. Jonas 
Stockholm 1780 ff. 
Bjoͤrnstahl, Professor in Lund, Verf. der Resa til Frankrige ꝛe.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.