Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Friedrich II in Paris 1784 Vater und Sohn 147 
einer Festvorstellung auf, sprach den Prolog und spielte die Hauptrolle 
als Apollo so gut, daß alles entzuͤckt war. Acht Tage spaͤter, am Tage 
nach der Konsirmation seiner Schwester Friederike!), wurde er ploͤtzlich 
krank und starb binnen 24 Stunden am 20. Juli, ein paar Tage vor 
seinem 12. Geburtstag. Die Eltern waren untroͤstlich, besonders aber 
der Erbprinz, der diesen Schicksalsschlag als eine Strafe Gottes fuͤr die 
fortgesetzte Ubertretung seiner Gebote empfand. An der Bahre ihres 
Kindes besiegelten beide ihre Wiederaussoͤhnung, die sich auch darin 
kundgab, daß Caroline ihrem Gemahl nach Wilhelmsbad folgte. Der 
kleine Prinz wurde in der Grafengruft der Altstaͤdter Kirche an der 
Seite seiner Großmutter beigesetzt. Auf einer Insel im Wilhelmsbader 
Park, dicht bei der Burgruine, ließ ihm der Erbprinz ein Keno—⸗ 
taphium in Form der Cestiuspyramide errichten mit einer Marmorurne, 
die den Namen des „Abgottes seines Herzens“ mit dem Zusatz „Ante 
diem“ trug. 
Landgraf Friedrich II. war damals grade auf einer Reise durch 
Frankreich begriffen, als er die Nachricht vom Tode seines Enkels erhielt. 
Er war eben erst durch den mysterioͤsen Selbstmord seines Cabinets⸗ 
sekretaͤrs Robert?), der sich in Paris mit einem Tischmesser den Hals 
abschnitt, in die groͤßte Aufregung versetzt worden, und als nun noch 
die traurige Botschaft aus Hanau kam, da war ihm der Aufenthalt in 
der Seinestadt gruͤndlich vergaͤllt. Die militaͤrischen Patente des Ver— 
storbenen uͤbertrug er nun auf seinen zweiten Enkel Wilhelm, der jetzt 
der voraussichtliche Erbe des Landes wurde, seinem Vater aber den 
heißgeliebten Erstgeborenen nie voͤllig ersetzte. 
Nach der Ruͤckkehr des Landgrafen aus Paris besuchte ihn Wilhelm 
sofort in Cassel. Dem Landgrafen waren diese Besuche seines Sohnes 
jedesmal eine große Freude, und Wilhelm fuͤhlte sich hochgeehrt, daß 
Friedrich ihn mehr und mehr in sein Vertrauen zog. Konnte auch keine 
Rede davon sein, daß der Erbprinz einen direkten Einfluß auf die Staats— 
geschaͤfte erhielt, so herrschte doch auch in politischer Beziehung das beste 
Einvernehmen zwischen den beiden Fuͤrsten zum Vorteil ihrer Laͤnder. 
Hanau erhielt 500 000 Taler aus der hessischen Kriegskasse zur Ab— 
tragung der alten Landesschuld, und Wilhelm vermittelte bei einer An— 
1) Nach den Ehepakten fand sie in der lutherischen Kirche durch den Pfarrer 
Stockhausen statt, waͤhrend die Soͤhne reformiert erzogen wurden. 
2) Carl Friedr. Robert (1725 -84) Geheimrat und Ordenskanzler, Sohn eines 
Refugiès. Sein Selbstmord (23. Juli 1784) wurde im Journal von und fuͤr Deutschl. 
1785, 466 beschrieben. Er war ein Schwager Job. Heinr. Tischbeins.
	        
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