Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Tod des Prinzen Friedrich 1784 
er sein eigentliches Liebesbeduͤrfnis in den Armen einer Andern suchte 
und fand. 
Ein trauriges Ereignis kam dazu und half die gelockerten ehelichen 
Bande wieder fester knuͤpfen, das war der ploͤtzliche Tod des aͤltesten Sohnes 
des erbprinzlichen Paares. Der am 8. August 1772 geborene Prinz 
Friedrich war der erklaͤrte Liebling des Erbprinzen, sein Stolz und 
seine Hoffnung. Als er im Januar 1781 den hessischen Landrat Carl 
b. d. Malsburg)) zum Gouverneur des Prinzen bestellte, schrieb er: 
„Der Allmaͤchtige erhoͤre die Gebete eines Vaters, der seine Kinder an⸗ 
betet, und eines Souveraͤns, der seine Untertanen liebt, dann wird Fried⸗ 
rich das Ziel meiner Wuͤnsche erreichen und ich werde alle meine Sorgen 
leichter ertragen.“ Bei den Besuchen in Cassel wurde der kleine Prinz 
von dem Großvater sehr verwoͤhnt und mit der Wuͤrde eines General— 
majors und Regimentschefs beschenkt. Als der noch nicht Zwoͤlfjaͤhrige 
am 14. Mai 1784 dem Landgrafen zum ersten Mal sein Regiment in 
Parade vorfuͤhren durfte, da strahlten des Erbprinzen Augen vor Freude. 
„Niemals“ meinte er „habe ich eine aͤhnliche Genugtuung empfunden 
als in diesem Augenblick. Ich sah mich selbst wieder jung werden in 
diesem Kinde, das alle meine Neigungen, alle meine Liebhabereien ge⸗ 
erbt hatte.“ Der kleine General war aber doch noch so sehr Kind ge⸗ 
blieben, daß ihm das Steigenlassen eines Luftballons ebensoviel Spaß 
machte wie die Soldatenspielerei bei der Parade. Sein Mentor Mals⸗ 
burg interessierte sich besonders fuͤr diesen damals neuaufkommenden 
Sport. Den ersten Luftballon ließ man in Wilhelmsbad steigen, er 
flog „so gut“, daß man nichts von ihm weiter hoͤrte. Ein am 26. Mai 
1784 vom Weißenstein aus losgelassener Ballon dagegen wurde am 
naͤchsten Tag bei Pr. Minden aufgefunden. Auch fuͤr das Komoͤdien⸗ 
spielen zeigte der Prinz ein aͤhnliches Interesse wie sein Vater in jungen 
Jahren. Als im November 1783 Prinz Carl mit seiner Familie wieder 
einmal zu einem laͤngeren Besuche nach Hanau kam, gruͤndeten die fuͤrst- 
lichen Kinder eine Jugendbuͤhne, die am Geburtstag der Prinzessin Carl 
sogar ein großes Ballet aufzufuͤhren wagte. Zum letzten Male trat 
Prinz Fritz am Geburtstag seiner eignen Mutter am 10. JZuli 1784 in 
1) Carl Otto v. d. Malsburg (1742 -1821), Sohn des Generalleutnants Auguslt 
Carl v. d. Malsburg, war zuerst Erzieher des Prinzen Carl von Hessen⸗Philippsthal 
G. 123 Anm. 2) gewesen. Als Diplomat und Gesandter in Paris seit 1808 spielte 
er spaͤter in kritischer Zeit eine Rolle, verscherzte sich dann die Gunst Wilhelms durch 
seinen Eintritt in westfaͤlische Dienste. Verheiratet war er mit Luise Ledderhose, der 
Tochter von Wilhelms Erzieher (S. 82). Besitzer von Escheberg, das seine Neffen und 
Erben zu dem bekannten bessischen Musensitz machten.
	        
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