Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

144 Ruͤckkehr der Hessen aus Amerika 1784 Wilhelm in Marburg 
fuͤhrung der Prunkoper Guͤnther v. Schwarzburg Holzbauers dem Hofetat 
kostete, nahm pflichtschuldig die vielen Zermonien eines großen Ordensfestes)) 
am St. Elisabethentag mit in den Kauf, seufzte nur im stillen uͤber 
das von ihm selber doch keineswegs vernachlaͤssigte „Phantom der 
Etikette,“ das an diesem „entsetzlich langen“ Tage Triumphe feierte, und 
zwaͤngte sich nach einigem Widerstreben auch in den hechtgrauen Frack 
mit papageigruͤner Weste und Aufschlaͤgen, um in dieser vorgeschriebenen 
Lokaluniform seinem Vater in Heydau zum Geburtstag zu gratulieren, 
als dieser den Festlichkeiten bei Enthuͤllung seines Marmordenkmals auf 
dem Friedrichsplatz (14. Aug. 1783) aus dem Wege gegangen war. 
Am wohlsten fuͤhlte er sich, hierin ein echter Sohn seines Vaters, 
in der ihm von diesem verliehenen neuen Wuͤrde eines hessischen Generals 
der Infanterie, wobei er auch die 4000 Taler Gehalt, die ihm der 
Landgraf bewilligte, nicht ungern annahm. Er fehlte von nun an bei 
keinem Manoͤver und keiner militaͤrischen Revue in und bei Cassel, be⸗ 
sichtigte im Auftrage des Landgrafen die Garnisonen und Festungen 
des Landes und war Zeuge beim Einmarsch der hessischen Truppen 
nach ihrer Ruͤckkehr aus Amerika. Dem ihm vom Landgrafen ver⸗ 
liehenen bisherigen Leibinfanterieregiment ritt er bis Sandershausen ent⸗ 
gegen und fuͤhrte es am 25. Mai 1784 von einer unabsehbaren Menschen⸗ 
menge umdraͤngt mit dem Esponton in der Hand nach Cassel bis auf 
den Paradeplatz, wo der Landgraf, umgeben von einer glaͤnzenden Suite, 
die in Muͤnden in aller Eile parademaͤßig zurechtgestutzten, Amerikaner“ 
empfing. Der Erbprinz ließ es sich auch nicht nehmen, das Regiment 
zwei Tage darauf in seine neue Garnison Marburg zu geleiten. Hier 
mietete er das Langwerthsche Haus am Marktplatz, das nun sein oft 
benutztes Absteigequartier bildete, wenn er nach Marburg kam, um sein 
Regiment zu exerzieren und von den Schlacken der amerikanischen Zeit 
zu reinigen. Trugen doch zu seinem Entsetzen einzelne Offiziere zuweilen 
noch gelbe Nankinghosen. Er vermittelte bei den unausbleiblichen Reibe— 
reien zwischen Militaͤr und Studentenschaft, die in der Universitaͤtsstadt 
einmal zu einem heftigen Konflikt zwischen dem Kanzler v. Selch o w 
und dem Regimentskommandeur fuͤhrten, und gewann durch seine Leut⸗ 
seligkeit das Offizierskorps, trotzdem er streng auf den Dienst sah und 
auf dem Kaͤmpfrasen die Regeln des von ihm nach preußischem Muster 
in Cassel entworfenen neuen Exerzierreglements peinlich befolgen ließ. 
1) Wilhelm war seit 1769 bezw. 1770 Ritter der beiden hess. Orden, eine Ehre, 
die er trotz der abfaͤlligen Kritik seiner Mutter, sehr hoch schaͤtzte.
	        
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