142 Friedrich II. und seine Soͤhne 1788
wir Sterblichen die unerforschlichen Wege Seiner Vorsehung mit stiller
Bewunderung zu vernehmen haben.“ Es war uͤberhaupt ein traͤnen⸗
reicher Tag. Der leicht geruͤhrte Erbprinz hatte angesichts der ihn um—
gebenden Liebe und Anhaͤnglichkeit alle Augenblicke nasse Augen, und
der bekannte Weltreisende Forster, damals Professor am Carolinum
zu Cassel berichtet: „Es ward so viel vor Freude geweint, daß alle
Soldaten unter den Waffen auf der Parade in Traͤnen waren, als der
Landgraf seinen aͤltesten Sohn zum Generalleutnant aller hessischen Truppen
erklaͤrte. Er selbst weinte lange und so taten alle Prinzen. Prinz Carl
und Friedrich gingen bei ihren Bekannten unter den Offiziern herum und
sagten: Gott Lob und Dank! Nun sind wir wieder beisammen. Mit
einem Worte, alles ist voller Freude, und der Landgraf sehr gluͤcklich,
von seinen Kindern umgeben zu sein.“ Der traͤnenreichen Szene folgten
froͤhliche Feste, Maskenbaͤlle, Theatervorstellungen und, was dem Erb⸗
prinzen am meisten zusagte, zahlreiche Ausfluͤge nach den Orten seiner
Jugendspiele, Wilhelmsthal, Freienhagen und Weißenstein, wo er „bei
jedem Schritte die unaussprechliche Freude empfand, wieder in der ge⸗
liebten Heimat zu sein.“ Friedrich II. behandelte seinen Sohn wie
einen alten Freund, von dem so lange getrennt gewesen zu sein, er nicht
genug bedauern konnte. Weniger gefiel es diesem, daß sein Vater sich
gar nicht an die Verabredung betr. Hanaus hielt. Der Landgraf sprach
vielmehr sehr oft davon, aber die Art und Weise, wie er es tat, be—
ruhigte seinen Sohn bald und ließ ihn merken, daß Friedrich II.
den Gedanken, seine Souveraͤnitaͤt anzutasten, laͤngst aufgegeben haͤtte.
Es war ein durchaus harmonisches Zusammenleben, das auch durch die
Launen der ihren alternden Gemahl tyrannisierenden Landgraͤfin nicht
gestoͤrt werden konnte. Auch die beiden anderen Prinzen schwelgten im
Genusse der langentbehrten Heimat und des Vaterhauses, und nament⸗
lich Carl, der als ein neuer Hippokrates uͤberall den Wundertee und die
Augensalbe seines Freundes St. Germain vertrieb, war selig, wenn er
wieder einen gutmuͤtig glaͤubigen Anhaͤnger oder Abnehmer gefunden hatte.
Nach drei Wochen reiste Wilhelm am 5. Maͤrz wieder nach Hanau
zuruͤck mit dem Versprechen, bald wieder zu kommen und seine Familie
mitzubringen. Dieser zweite Besuch fand bereits im Mai statt. Um
an den Casseler Fruͤhjahrsmanoͤvern teilzunehmen, war Wilhelm voraus⸗
gereist, ritt dann seiner Familie bis ins Baunatal entgegen und fuͤhrte
sie in die Arme seines Vaters, der beim Anblick seiner Enkelkinder wieder
ganz in Traͤnen schwamm und die beiden kleinen Prinzen Fritz und
Wilhelm gar nicht von sich lassen wollte. Bei dem Manoͤver auf dem