Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Aussoͤhnung Landgraf Friedrichs mit seinen Soͤhnen 141 
„Ach, das ist ja Prinz Friedrich, Ihrer Hochfuͤrstlichen Durchlaucht juͤngster 
Sohn!“ Als er aber die Bestuͤrzung auf beiden Seiten bemerkte, die 
eine augenblickliche Verstaͤndigung auszuschließen schien, bat er, den Prinzen 
mit auf seine Kammer nehmen zu duͤrfen. Hier sank dieser wie ohn⸗ 
maͤchtig in einen Lehnstuhl und kam erst nach einem Glase Wein wieder 
zu sich. Nach einer halben Stunde ließ der Landgraf beide wieder zu 
sich bitten, und „nun nach und nach beruhigten sich die Gemuͤter und 
die beiderseitigen Sentiments“ (Wittorff). Der alte Landgraf war tief⸗ 
gexruͤhrt und uͤberhaͤufte seinen Sohn mit Gnadenbeweisen aller Art. 
Friedrich aber schrieb entzuͤckt uͤber die liebevolle Aufnahme, die er in 
Cassel fand, nach Hanau und Schleswig und erreichte auch, daß Carl 
am 21. Januar 1783 seinem Beispiel folgte und ebenfalls von dem Vater 
mit offenen Armen aufgenommen wurde. 
Schwieriger war es, den Erbprinzen umzustimmen. Wilhelhm war 
wenig erbaut daruͤber, daß seine Bruͤder ihm das Praͤvenire gespielt 
hatten, wollte von einem „Theatercoup“ nichts wissen und eine formelle 
Einladung des Landgrafen abwarten, um erst seine Bedingungen stellen 
zu koͤnnen. Er fuͤrchtete immer noch, daß die Reise nach Cassel ihn 
eine Beschraͤnkung seiner Hoheitsrechte kosten koͤnne, zum mindesten, daß 
man versuchen wuͤrde, ihn dort festzuhalten und durch allerhand Kon⸗ 
zessionen — seine Bruͤder waren zu hessischen Generalleutnants ernannt und 
ihnen die Lehen Voͤlkershausen und Viermuͤnden eingeraͤumt worden — 
zu bestechen. Deshalb schrieb er an CKarl und verlangte, daß in Cassel 
von Hanau uͤberhaupt nicht die Rede sein, und daß er jederzeit nach 
Hause zuruͤckkehren duͤrfe, wenn es ihm beliebe. Sein Bruder beruhigte 
ihn uͤber beide Punkte, und die schriftlichen Zureden der Landgraͤfin 
Philippine und des Koͤnigs von England bewirkten, daß endlich nach 
harten inneren Kaͤmpfen das Eis schmolz. Am 10. Februar 1783 fuhr 
Wilhelm mit Malsburg und Geismar nach Cassel, kam schon am 11. dort 
an und stieg im „Hof von England“ ab, wo Prinz Carl und Wittorff 
ihn in Empfang nahmen. Mit tiefer Ruͤhrung betrat er am naͤchsten 
Morgen das alte Schloß seiner Ahnen und warf sich dem Vater zu 
Fuͤßen, der nach 28 Jahren zum ersten Male seinen Erstgeborenen wieder 
in die Arme schloß. „Auch diese entrevue“ erzaͤhlt der trockene Wittorff 
„war sehr ruͤhrend und merkwuͤrdig“ und kann nicht umhin, in seiner 
salbadernden Manier fortzufahren: „Es wuͤrde zu weitlaͤuftig sein, alle 
deßhalbige besondere Umstaͤnde hier zu bemerken und begnuͤge ich mich 
zu erkennen, daß Gott nach seiner unendlichen Weisheit und Guͤte alles 
zu rechter Zeit und Stunde mit seinem Segen und Gedeihen kroͤnet, und
	        
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