138 Graf St. Germain Freimaurerkonvent 1782
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zu Schleswig fand 1779 der raͤtselhafte Wundermann eine Zufluchts⸗
staͤtte, der sich zuletzt Graf St. Germain nannte und auf seinen
Wanderfahrten an allen moͤglichen Hoͤfen Europas sich eine Beruͤhmt⸗
heit erwarb, die der des beruͤchtigten Cagliostro nicht viel nachgab. Mit
unverhohlenem Mißfallen vernahm Wilhelm, wie sein Bruder das Geld
mit vollen Haͤnden wegwarf, um die alchymistischen Kunststuͤcke St. Ger⸗
mains in Eckernfoͤrde zu unterstuͤtzen und, unbelehrt durch deren Miß—⸗
erfolge, auf die Lebenselixiere und Mixturen schwur, die der greise Alchy⸗
mist in seinem Laboratorium zusammenbraute.)
Seit 1778 war Carl Meister vom Stuhl der Hamburger Loge und
zugleich Protektor und Superior des ganzen Ordens in Daͤnemark. Eine
herzliche Freundschaft verband ihn mit dem gleichgesinnten Herzog Ferdi⸗
nand von Braunschweig, dem Helden des Siebenjaͤhrigen Krieges.
Als dieser als Generalgroßmeister der Deutschen Freimaurer eine
große Versammlung der Logenbruͤder plante, um die Annahme des sog.
eyoner Systems in der Loge durchzusetzen, da schlug Carl Wilhelmsbad
als Ort der Versammlung vor. Der Kongreß fand vom 16. Juli bis
zum 1. September 1782 statt und fuͤhrte einen großen Strom reicher
und vornehmer Fremder nach dem kleinen Badeort. In kurzer Zeit
war alles uͤberfuͤllt, obwohl man jeden Winkel zur Aufnahme der Gaͤste
ausnutzte. Auf der Fasanerie wohnten zwei englische Lords, und der
Fasanenmeister hatte einem franzoͤsischen Grafen Platz machen muͤssen.
Auch die westfaͤlische Meierei war voll besetzt. Es kamen Franzosen
und Italiener, aber auch die Schweiz, Polen, Rußland, Ungarn, Boͤhmen
und England hatten Vertreter des Ordens gesandt, die eifrig die bren—
nenden Fragen diskutierten. Der Herzog Ferdinand leitete selbst die
Verhandlungen. Als sich diese aber sehr in die Laͤnge zogen, trat er den
Vorsitz an den Eques a leone resurgente, den Prinzen Carl, ab, dem
es gelang, die z. T. sehr gegen einander aufgeregten Koͤpfe einigermaßen
unter einen Hut zu bringen. Bei seiner Schlußrede am 1. September
var alles so geruͤhrt, daß sich die erbittertsten Gegner unter Traͤnen
Amarmten, ehe sie in ihre Heimat zuruͤckkehrten.
Der hessische Erbprinz spielte den Freimaurern gegenuͤber den liebens⸗
1) Die Akten uͤber den geheimnisvollen Abenteurer, der 1784 zu Eckernfoͤrde starb,
ind noch nicht geschlossen. Wilh. Jensen hat ihn zum Helden eines hoͤchst unhistorischen
Romans gemacht. Sein Goͤnner Tarl blieb bis zu seinem Lebensende der UÜberzeugung,
daß St. Germain ein „außerordentlich weiser, tief denkender und hoͤchst erfahrener
Mann war, der Menschen und Thieren gern wohlthun wollte und im Innersten der
Ratur und Heilkunde, wo er unendlich vielen geholfen, die groͤßten Kenntnisse besaß.“
dessenland 1915, 131.