Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Joseph II Der Philosoph von Wilhelmsbad 137 
Auch Kaiser Joseph II. verschmaͤhte nicht, auf seiner Reise nach den 
Niederlanden am 27. Mai 1781 in Hanau Halt zu machen und sich 
dabei Wilhelmsbad anzusehen. Der Erbprinz befand sich gerade auf 
seiner Fruͤhjahrstour durch die Grafschaft, was den Kaiser zu den an— 
erkennenden Worten veranlaßte: „Das gefaͤllt mir, das ist die richtige 
Beschaͤftigung fuͤr einen Souveraͤn!“ Drei Wochen spaͤter konnte Wil— 
helm die Schwester Josephs, die Erzherzogin Marie Christine, und 
ihren Gemahl den Herzog Albert von Teschen begruͤßen, deren 
Gaͤste er und Caroline dann in Frankfurt waren. Dabei schmeichelte 
es ihm sehr, daß die liebenswuͤrdigen kaiserlichen Hoheiten — auch der 
suͤngste Bruder Josephs, Erzherzog Max, Koadjutor von Loͤln, war bei 
ihnen — ihm stets den Vortritt ließen und bei der Wagenfahrt die 
Ruͤcksitze einnahmen. 
Im Sommer dieses Jahres 1781 wurde endlich die Burgruine von 
Wilhelmsbad fertig, die von nun an des Erbprinzen bevorzugte Lieb— 
lingsresidenz war. Am 21. Juli schlief er zuerst in dem kleinen Insel⸗ 
schloͤßchen. Hier in der selbstgewaͤhlten Einsamkeit, die nur fuͤr ihn und 
seine unmittelbare Bedienung Raum bot, fuͤhlte er „zum ersten Mal 
seit langer Zeit wieder rechte Lebensfreude, ein Gluͤck so selten bei 
Fuͤrsten und besonders an ihren Hoͤfen. Unter den Augen der Guͤnst⸗ 
linge und unter der Spionage der Hoͤflinge vermag der unterdruͤckte 
Bauer und der geplagte Untertan im Schlosse des Fuͤrsten keine Zu⸗ 
flucht zu finden. Aber hier im Schatten des Waldes ganz allein, ohne 
Minister und Favoriten, war ich in der Lage, die Klagen eines jeden 
zu hoͤren und mit meinen eigenen Augen zu pruͤfen“. Der Hof und 
namentlich Caroline hatten freilich wenig Sinn fuͤr diese „neue Philosophie“ 
des Erbprinzen, die auch insofern nicht ganz einwandfrei war, als seine 
geliebte Rittern nicht selten seine Einsamkeit teilte. 
Im naͤchsten Sommer 1782 erreichte Wilhelmsbad den ersten Hoͤhe— 
punkt seiner kurzen Bluͤtezeit. Das war bei dem großen Freimaurer— 
konvent, der auf Veranlassung des hessischen Prinzen Carl dort 
stattfand. Schon im Fruͤhjahr 1774 war Carl durch seinen Eintritt 
in die Schleswiger Loge Mitglied des Ordens geworden, dessen Be⸗ 
strebungen fortan einen Hauptinhalt seines Gefuͤhlslebens ausmachten. 
Der von Haus aus so lebensfrohe Prinz hatte sich seit einiger Zeit 
einem ausgesprochenen Hang zu religioͤser Mystik hingegeben, der durch 
seine Umgebung und seinen Verkehr mit Abenteurern und Charlatanen 
eine bedenkliche Faͤrbung erfuhr und das herzliche Einvernehmen mit 
seinem aͤlteren Bruder zum ersten Male ernstlich truͤbte. An Carls Hofe
	        
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