Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Wilhelmsbader Badeleben Preise 
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des 1778 nach Basel zuruͤckgekehrten Socin, mußte die alte Propaganda—⸗ 
schrift des Jeremias Muͤller 1779 neu herausgeben, und ein angeblicher 
Schweizer Gysenhard, der aber Andreas Schaͤfer hieß und hessen⸗ 
hanauischer Rat war, veroͤffentlichte 1780 empfindsame Briefe an eine 
ebenso angebliche Amalie mit „Betrachtungen oder Empfindungen oder 
Launen oder Grillen im Wilhelmsbade bei Hanau“, in denen das Lob 
des fuͤrstlichen Gruͤnders in den hoͤchsten Toͤnen klang. Wilhelm war 
von nun an regelmaͤßiger Kurgast in Wilhelmsbad, wo er und seine 
Familie und Umgebung in ungezwungener Weise mit dem Publikum 
verkehrten. „Gute Nacht, Etiquette! Rangordnung, gehab dich wohl!“ 
rief der enthusiasmierte „Schweizer“ aus, als er im großen Tanzsaal 
einmal die hohen Herrschaften mit Leuten von jedem Stande sich im 
gemeinschaftlichen Reigen drehen sah. „Hier unterhaͤlt sich eine koͤnig⸗ 
liche Prinzessin im Kreise gesitteter Buͤrger, und bey dieser Herablassung 
unterscheidet Ihre Hoheit nichts, als ein erhabenerer Grad von Menschen— 
liebe, der jedes Wort auf Ihren Lippen und jede Handlung in ihrer 
Entstehung mit dem Gepraͤge der Sanftmuth und Leutseligkeit stempelt. 
Die junge hohe Herrschaft nimmt an diesen allgemeinen Unterhaltungen 
ebenfalls Theil und macht sich durch Nachahmung muͤtterlicher Tugenden 
zum angebeteten Goͤtzen eines Freude weinenden Volks. O, wie schwillt 
ein Schweizerherz! wie schlaͤgt es bey solchen Auftritten!“ 
Die Frequenz des Bades, dessen wirtschaftliche Leitung ) Wilhelm 
sorgsam kontrollierte, hob sich zusehends. An Sonn- und Festtagen 
oder an Tagen wie dem, wo Wilhelm ein großes Manoͤver bei Wilhelms⸗ 
bad mit nachfolgender solenner Speisung der kampfmuͤden Krieger ab⸗ 
hielt, vermochte das Bad die Zahl der neugierigen und vergnuͤgungs⸗ 
suͤchtigen Ankoͤmmlinge kaum zu fassen. Dies Manoͤver, das im Fruͤh— 
jsahr 1780 stattfand, war so recht eine Schaustellung nach dem Herzen 
Wilhelms. Er hatte mit seinem Grenadierbataillon Wilhelmsbad be— 
1) Es ist wohl nicht ganz uninteressant, die von dem Erbprinzen festgesetzten 
Preise fuͤr die Besucher von Wilhelmsbad kennen zu lernen. An der „ersten oͤffent⸗ 
lichen Tafel“ kostete das Mittagessen 45 kr., das Abendessen 30 kr. an der 2. Tafel 
30 bezw. 20 kr., am „Laquaien und Maͤgdetisch bei einem besonderen traiteur“ bezahite 
man nur 20 bezw. 12 kr. Reichhaltig war die Weinkarte, nach der man 1 Bouteille 
guten Champagner fuͤr 2 fl., Bourgogner fuͤr 40 kr., Rheinwein fuͤr 24 kr., die ge⸗ 
ringste Sorte sogar schon fuͤr 16 kr. haben konnte. 1 Tasse feine Schokolade mit Brot 
kostete 10 kr., 1 Tasse guter Kaffee mit Milch und Zucker 12 kr.,1 Tasse „recht 
guter Heisantheer nur 2 kr. „Vor 1 Stunde zu baden nebst Feuer und gedecktem 
Bett mit frischen Bettuͤchern“ hatten die Kurgaͤste 24 kr., Fremde 30 kr. zu zahlen, 
der Frotteur erhielt aber extra 12 kr. Die Logispreise schwankten zwischen 6 fl. und 
1 fl. 30 kr. woͤchentlich, wofuͤr man im letzteren Falle mit einem kleinen untapeziertem 
Zimmer im 3. Stock vorlieb nehmen mußte. Übrigens klagten spaͤter die Teilnehmer 
des Freimaurerkongresses z. T. sehr uͤber die hohen Wilbelmsbader Preise!
	        
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