Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

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Bauten in Wilhelmsbad 1779 1781 
regelrechter Kurgast in Wilhelmsbad, wie der neue Kurort „auf 
Wunsch der neustaͤdter Buͤrgerschaft“ von jetzt an offiziell hieß. Er 
wohnte im 3. Pavillon und konstatierte mit großer Befriedigung den 
taͤglichen Zustrom der Fremden, unter denen viele allerdings durch das 
um der Anziehungskraft willen erlaubte Pharaospiel angelockt waren. 
Doch zaͤhlte Wilhelmsbad in dieser ersten Saison schon uͤber 300 richtige 
Kurgaͤste, zu denen auch Wilhelms Bruder Carl ein paar Wochen gehoͤrte. 
Kaum waren die letzten Kurgaͤste abgereist, so begann eine neue 
fieberhafte Taͤtigkeit, die bis in das naͤchste Fruͤhjahr (1780) gegen 900 
Bauarbeiter und Handwerker beschaͤftigte. Das Vergnuͤgen, zum ersten 
Male wirklich schoͤpferisch taͤtig zu sein“ hatte den Erbprinzen maͤchtig 
ergriffen. Geld wurde nicht gespart, es war ja auch reichlich aus den 
englischen Subsidien vorhanden. Die Arkaden wurden auf zwei Etagen 
mit drei großen Saͤlen erhoͤht, große Stallgebaͤude und ein 4. Pavillon 
errichtet, der sog. Judenpavillon, weil in ihm die von Wilhelm immer 
wohlwollend behandelten Israeliten Wohnung nehmen durften. Dazu 
kamen allerhand Spielereien in der Umgebung der Quelle, ein kuͤnstlicher, 
sog. Schneckenberg, Schaukeln, zwei große Karussells, eine Maillebahn 
und aͤhnliche Einrichtungen, mit denen man das damals noch gering 
entwickelte Beduͤrfnis nach sportlicher und gymnastischer Betaͤtigung be⸗ 
friedigen konnte. Die den Wilhelmsbader Park durchfließende Braubach 
wurde schiffbar gemacht und mit Kaͤhnen besetzt. Auf der von ihr um— 
spuͤlten Insel legte Wilhelm im Sept. 1779 den Grundstein zu einer 
Burgruine, wie sie der „gothischen“ Mode des Zeitalters entsprach. 
Der Erbprinz ritt fast taͤglich nach Wilhelmsbad, um sich von den Fort⸗ 
schritten der Arbeit zu uͤberzeugen, die der Oberkammerrat Cancrin 
leitete, seiidem Gall in Ungnade gefallen war. Die Verstrickung des 
Oberkammerrats in den Gall'schen Prozeß war dem Erbprinzen sehr 
unangenehm. Kostete sie ihn doch den Verlust eines ungewoͤhnlich 
tuͤchtigen und vielseitigen Beamten, der nach seiner Verurteilung und 
Entlassung spaͤter im fernen Rußland ein groͤßeres Feld zur Entfaltung 
seiner Kenntnisse und Geschicklichkeit fand (S. 93 A.). Im Sept. 1780 
entstand noch als besondere Sehenswuͤrdigkeit ein westfaͤlischer Bauernhof 
an der Straße nach Wachenbuchen und im naͤchsten Jahre außer dem 
im Parke selber angelegten Naturtheater ein kleines Komoͤdienhaus, das 
die Neuhausische Truppe am 8. Juli 1781 mit der Operette, Tom 
Jones“ von Philidor eroͤffnete. 
Als geschickter Geschaͤftsmann sorgte der Erbprinz auch fuͤr die noͤtige 
Reklame fuͤr das neue Bad. Sein Leibarzt Kaͤmpf, der Nachfolger
	        
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