Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

132 Ausgang der Affaͤre Gall Der Gute Brunnen 
um eine Rehabilitation seiner gekraͤnkten Ehre zu erreichen. Nach zwei 
Jahren hatte er die Genugtuung, daß der von ihm angerufene Reichshof- 
cat zu Wien den Erbprinzen aufforderte, dem Verurteilten seine beschlag⸗ 
nahmten Papiere wieder auszuhaͤndigen und die Akten des Prozesses 
nach Wien zu senden.) Über den weiteren Verlauf der Angelegenheit 
schweigen Wilhelms Memoiren sich aus. Er wollte nichts mehr von 
seinem fruͤheren Liebling wissen. Die Erbprinzessin aber blieb in brief⸗ 
licher Verbindung mit Frau v. Gall, die spaͤter als Witwe in Marburg 
lebte, und trauerte herzlich um sie, als die alte Freundin halberblindet 
am 21. Februar 1813 dort starb. 
Wie sehr den Erbprinzen die Affaͤre Gall innerlich beschaͤftigte und 
mitnahm, beweist die unverhaͤltnismaͤßig umfangreiche Darstellung, die 
er ihr in seinen Memoixen gewidmet hat, ohne daß sie, namentlich ihre 
Genesis, dadurch voͤllig geklaͤrt und er selbst von dem Vorwurf der 
Kabinetsjustiz gereinigt erscheint. Wenn er auch so tat, als beruͤhre es 
ihn nicht, daß Caroline, eine eifrige Fuͤrsprecherin Galls, ihn einen 
Tyrannen nannte, so ging er doch nach seiner Gewohnheit allen un—⸗ 
liebsamen Szenen mit ihr aus dem Weg, indem er von nun an die 
Hofgesellschaft noch mehr mied und die meiste Zeit auf seiner Lieblings⸗ 
schoͤpfung Wilhelmsbad zubrachte. 
Der leichte Saͤuerling, den zwei Hanauer Kraͤuterweiber im Mai 
1709 an einem Waldsteinbruch in der Wachenbucher Terminey entdeckten 
hatte wohl von Anfang an nur eine ziemlich unschuldige Wirkung, und 
die Reklameschrift, die der hochgraͤfl. hanauische Leibmedikus Jeremias 
Muüller uͤber „Halt, Krafft und Wuͤrckung“ seines Wassers 1711 in 
Druck gab, vermochte auch nicht, seinem Ruf eine große Verbreitung zu 
geben. Muͤller hatte das Wasser sehr gruͤndlich untersucht und dabei 
festgestellt, daß „wenn man es abrauchen laͤsset, in fundo eine gelbe 
Ochra liegen bleibet, welche in Geschmack dem arcano tartari gleichet“. 
Er fand auch „subtile langspießige und kleine viereckigte Crystallen“ 
eines bittern weißen Salzes darin, vermochte aber bei dem Stand der 
damaligen Untersuchungsmethode diesen Salzgehalt nicht naͤher festzu— 
stellen, „weilen durch die schlangenaͤhnliche Wassertheile viele Saltz— 
Theilgen in der evaporation weggeschleppt werden“. Immerhin ge⸗ 
auͤgten die besonders bei Stoffwechsel und Frauenkrankheiten beobachteten 
Heilerfolge, um dem „Guten Brunnen“ ein lokales Renommée zu 
1) Beschluß vom 7. April 1784, abgedruckt in Schlözers Staatsanzeigen 6, 130.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.