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Sturz der Gebruͤder Gall 1781
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Hofe zu sein“, obwohl er keinen besseren Ersatz fuͤr ihn fand, als den
zum Obermundschenken ernannten Reg.Rat v. Truͤmbach!), der an
Geschicklichkeit Gall weit nachstand und außerdem durch sein staͤndiges
Stottern seinem Herrn auf die Nerven fiel.
Doch dieses waren nur kleine Vorboten des Gewitters, das sich
uͤber den bisherigen Guͤnstling entladen sollte. Den Anstoß dazu gab
die Affaͤre seines Bruders in Amerika. Von Anfang an hatte Wilhelm
den juͤngeren Gall weniger geschaͤtzt als seinen Bruder, auf dessen
Empfehlung er nach Hanau gekommen war. Nun haͤtte der Oberst in
Amerika keine großen Lorbeeren sammeln koͤnnen, dagegen durch ver⸗
schiedene Eigenmaͤchtigkeiten, namentlich durch Ausstellung von Offiziers⸗
patenten ohne Zustimmung des Erbprinzen dessen Zorn gereizt. Da er
erfahren haben mochte, daß Wilhelm eine Untersuchung gegen ihn vor⸗
bereitete, erschien er ploͤtzlich am 28. Maͤrz 1781 in Hanau, um sich zu
rechtfertigen, wurde aber sofort „wegen pflichtwidrigen Verlassens seines
in deplorabler Situation in Virginien zuruͤckgelassenen Bataillons“ in
Haft genommen und nach kurzer Untersuchung entlassen?). Waͤhrend
des Prozesses kam auch die Verwaltung der Subsidiengelder durch den
Hofmarschall zur Sprache, und von einer Seite, die schon laͤngst den
Einfluß des in Hanau zeitweise maͤchtigsten Mannes mit Neid und
Mißgunst beobachtete, wurde nun unablaͤssig das Mißtrauen des Erb⸗
prinzen geschuͤrt, sodaß dieser sich entschloß, eine geheime Untersuchung
uͤber Galls gesamte Amtsfuͤhrung einzuleiten. Der Hofmarschall, der
trotz der befohlenen Heimlichkeit durch den Kammerassessor Binzer davon
erfuhr, fing an seine Papiere zu verbrennen, und als dies dem Erb—
prinzen gemeldet wurde, da war sein Schicksal besiegelt. Am 18. Okt.
1781 wurde er durch den Adjutanten v. Wintzingerode?) verhaftet
und Hausarrest uͤber ihn verhaͤngt. Was die nun oͤffentlich auftretende
Untersuchungskommission aus den noch nicht verbrannten Papieren er⸗
mittelte, waren im Grunde genommen keine großen Verbrechen. Immerhin
wurde festgestellt, daß Gall sein Amt gelegentlich zu seinem persoͤnlichen
i) Pphilipp Rud. v. Trumbach, 1784 zum Regierungsvpraͤsidenten ernannt, *6. Maͤrz
1817 zu Wehrda 88 Jahre alt.
2) Wilh. Rud. v. Gall (* 1734 zu Netz) trat spaͤter in wittgensteinische Dienste
und starb 1799 zu Wittgenstein als Hofmarschall. Sein Sohn Ludwig wurde hessen⸗
darmstaͤdtischer General und Ritter des Maria⸗Therestenkreuzes. Dessen Tochter Luise
heiratete den Dichter Levin Schuͤcking.
3) Adolf v. Wintzingerode, der wohl hauptsachlich zum Sturze Galls beige⸗
tragen hat, wurde bald darauf zum Kommandeur des Grenadierbataillons, 1782 zum
Obersten ernannt, verlor aber seinen Adjutantenposten. Er starb 1811 zu Wintzingerode
und hinterließ ein großes Vermoͤgen, nach der Geschichte seiner Familie aber aud den
Ruf eines kaltherzigen Egoisten.