124 Carl im Hauptquartier Beginn des Feldzugs
Eine freudige Ueberraschung machte ihm eines Tages der Koͤnig
durch die Mitteilung, daß auch sein Bruder Carl im Hauptquartier
erwartet werde. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Wilhelm, daß sein Vater,
der Landgraf, sich beim Koͤnige daruͤber beschwert habe, daß sein aͤltester
Sohn ohne seine vorherige vaͤterliche Einwilligung in den preußischen
Dienst aufgenommen worden sei. Der Landgraf hatte selber gern ein
sommando in dem Feldzug haben wollen und war nun piquiert da⸗
ruͤber, daß Wilhelm „das Gluͤck genoß, in preußischen Diensten zu sein,
ein Gluͤck, das schon anfing, mir recht laͤstig zu werden“. Der Koͤnig
aber hatte auf die Hilfe der hessischen Truppen gerechnet und war ver⸗
stimmt, als der Landgraf dies Verlangen mit der Begruͤndung abschlug,
daß er bei der Abwesenheit des amerikanischen Corps sein Land nicht
zanz von Truppen enkbloͤßen koͤnne.
Am 26. Juni traf Carl im preußischen Hauptquartier ein. Er kam
mit besonderen Empfehlungen der Koͤnigin Juliane, der Schwaͤgerin
Friedrichs des Großen, trat als daͤnischer Feldmarschall auf, ohne einen
preußischen Grad zu beanspruchen, und die Art und Weise, mit der der
gewandte Prinz seiner Bewunderung fuͤr den „preußischen Herkules und
Salomo des Nordens“ Ausdruck zu geben verstand, gewann ihm im
Fluge das Herz des alten, fuͤr Schmeicheleien keineswegs unempfaͤnglichen
Koͤnigs. Carl nahm ebenfalls sein Quartier in Frankenstein und erloͤste
damit seinen Bruder Wilhelm aus seiner Vereinsamung.
Acht Tage spaͤter kam endlich der sehnlichst erwartete Marschbefehl,
und am 4. Juli folgten beide hessische Prinzen der Kolonne des Erb—
prinzen von Braunschweig, die bei Silberberg das Eulengebirge uͤber⸗
schritt. Wilhelm, gluͤcklich aus der langen Untaͤtigkeit erloͤst zu sein,
war nun wieder ganz voll kriegerischer Begeisterung. „Niemals sah
ich ein schoͤneres Schauspiel“, erzaͤhlt er, „und niemals werde ich es
bergessen: den Glanz der aufgehenden Sonne, die unzaͤhlbaren Massen,
stattlicher Leute, das Klirren ihrer blitzenden Waffen, das Schmettern
der Trompeten, das Rasseln der Trommeln, das Wiehern der Pferde!
Dazu der uͤberwaͤltigende Anblick der in den Felsen gesprengten Schlangen⸗
wege, wo die Kolonnen die fast unzugaͤnglichen Hoͤhen zwischen Schlesien
und Boͤhmen uͤberschritten. Alles das erinnerte einen unwillkuͤrlich an
einen Zug der alten Roͤmer.“ Aber das glaͤnzende Schauspiel truͤbte
sich sehr schnell. Schon der erste Marschtag war ein Tag der Konfusion,
und die von durchfahrenden Batterien zersprengten Regimenter zeigten,
daß „die Ausfuͤhrung der schoͤnsten Projekte schwieriger war als die
Aufstellung der besten Theorien, die im Cabinet des großen Friedrich aus⸗