Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Untaͤtigkeit Fuͤrstliche Kriegskameraden 123 
Wilhelms scharfes und gewiß nicht immer richtiges Urteil wurde 
nicht milder durch die gallige Stimmung, in die er immer mehr geriet. 
Seine Stellung als General à la suite ohne Kommando ließ ihm zwar 
biel freie Zeit, band ihn aber an sein Quartier, da er jeden Augenblick 
eines Befehls oder Auftrags gewaͤrtig sein mußte. Es vergingen ganze 
Tage, an denen er nur mit Lektuͤre, Zeichnen und Schreiben beschaͤftigt 
war. Sehr viel las er in der Bibel, besonders in den Psalmen, um 
sich dadurch gegen die Athmosphaͤre von Irreligiositaͤt und Gottesleugner⸗ 
tum zu schuͤtzen, die ihn umgab und abstieß. Von der Gesellschaft 
seines Adjutanten Wintzingerode hatte er nicht viel. Der fuͤhlte sich 
in seiner deplacierten Stellung auch wenig wohl und raͤkelte sich meist 
zelangweilt auf seinem Bett herum, waͤhrend der Reg.⸗Rat Koppp 
seinem Herrn wenigstens oͤfters als Vorleser diente. 
Der Verkehr mit seinen Standesgenossen im preußischen Heere, deren 
oͤftere Besuche er empfing und erwiderte, brachte den Erbprinzen den 
meisten von ihnen nicht naͤher. Nur der Prinz von Preußen, der 
spaͤtere Koͤnig Friedrich Wilhelm II., gewann sein Herz gleich beim ersten 
Besuch durch sein liebenswuͤrdiges Wesen, und bei naͤherer Bekanntschaft 
lernten beide Prinzen, die ja in manchen Punkten verwandte Charakter⸗ 
zuͤge zeigten, einander schaͤtzen und schlossen Freundschaft miteinander. 
„Wir lebten zusammen wie Bruͤder“ erzaͤhlt Wilhelm „und das war 
der einzige Trost fuͤr mich in diesem Jammertal.“ Von hessischen 
Vettern traf er im Hauptquartier die Prinzen Adolf von Barch— 
feldy) und Carl v. Philippsthal?), die beide in preußischen 
Diensten standen. Adolf war fast genau so alt wie der Erbprinz, aber 
schon seit zwei Jahren preußischer General und Fuͤhrer einer Brigade. 
Daß er seine hoͤhere Anciennitaͤt etwas merken ließ, beruͤhrte den Erb⸗ 
prinzen unangenehm, und er konnte sich die Bemerkung nicht versagen, 
daß der Barchfelder Vetter sich doch etwas reichlich viel auf sein preu⸗ 
zisches Portepée einbildete. So schnell hatte er vergessen, wie sehr er 
selber sich danach gesehnt hatte. 
1) Geb. 29. Juni 1743 zu Doornick. Erst in hollaͤndischen, dann seit 1773 in 
preußischen Diensten. Er hatte uͤbrigens wenig Gluͤck in diesem Feldzug. Von seinen 
volnischen Soldaten desertierten viele, woruͤber der Koͤnig aͤrgerlich war, und schließlich 
passierte ihm das Mißgeschick, am 18. Jan. 1779 bei Habelschwerdt mit 1000 Mann 
bon Wurmser gefangen zu werden. Er nahm daraufhin 1780 seinen Abschied und 
starb 17. Juli 1803 zu Barchfeld. Seinem Sohn, dem Prinzen Ernst (1788 — 1850), 
verden wir spaͤter im Kap. 13 noch oͤfters begegnen. 
2) Karl v. H.Philippsthal * 6. Nov. 1757 zu Zutphen, F 2. Jan. 1793 als 
hessischer Oberst an den Folgen seiner bei der Erstuͤrmung von Frankfurt empfangenen 
Wunden. Auch er war zuerst in hollaͤndischen, 1774 —80 in vpreußischen Diensten.
	        
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