Wilhelm im preußischen Hauptqquartier 1778 121
koͤnnen, als er, dessen sehnlicher Wunsch nun erfuͤllt werden sollte, das
wirkliche Kriegsleben an der Seite des großen Friedrich kennen zu lernen.
Im Taumel der Freude ernannte er Gall zum Geheimen Rat mit
Generalvollmacht und bewilligte ihm außerdem noch die sog. Zaͤhlkreuzer
von allen einlaufenden englischen Subsidien. In aller Heimlichkeit
wurden die Reisevorbereitungen getroffen, nur Frau v. Die de, die grade
zu Besuch kam, wurde ins Vertrauen gezogen, waͤhrend Karoline
nach dem gewohnten Gutenachtgruß nicht ahnte, daß ihr Gemahl am
30. April um Mitternacht, nur von seinem Adjutanten v. Wintzingerode
begleitet, sie und seine Kinder, sein Schloß und sein Land verließ, um
auf unbestimmte Zeit, wie seine Mutter gesagt haben wuͤrde, die Rolle
eines „fahrenden Ritters“ zu spielen. Regierungsrat Kopp folgte den
beiden Reisenden mit der Equipage nach, um als Referendar die Ver⸗
bindung mit der Landesregierung zu leiten.
Am 7. Mai traf der Erbprinz im preußischen Hauptquartier zu
Schoͤnewald in Schlesien ein, wo ihn der Generalmajor Graf Goͤrz!)
m Auftrag des Erbprinzen von Braunschweig empfing. Sein Enthusias⸗
mus wurde hier gleich etwas gedaͤmpft, als ihm Goͤrz, ein alter Be—⸗
kannter von Cassel und Kopenhagen her, bedeutete, daß er sich nicht in
seiner hanauischen Uniform vor dem Koͤnige zeigen koͤnne, da fuͤr die
Volontaͤrs ein einfacher blauer Rock vorgeschrieben sei. Wilhelm war
wuͤtend, mußte sich aber fuͤgen, wollte er nicht seinen ganzen Plan auf—⸗
geben. Am naͤchsten Vormittage stellte er sich dem Koͤnige vor.
Friedrich der Große empfing ihn sehr freundlich, lud ihn gleich
zur Tafel und ließ sich waͤhrend derselben die ganze daͤnische Jugend⸗
geschichte des Prinzen erzaͤhlen. Er fuͤhlte ihm auch in militaͤrischen
Dingen genau auf den Zahn, wobei Wilhelm sich Muͤhe gab, zu zeigen,
daß er als Soldat durchaus nicht der Neuling sei, fuͤr den man ihn
zu halten schien. Wilhelm war sehr zufrieden uͤber die Art und Weise,
wie ihn der Koͤnig bei der Tafel auszeichnete, und als er am andern
Morgen das Patent eines preußischen Generalmajors erhielt, da sah er
das naͤchste Ziel seiner Wuͤnsche erfuͤllt, wenn es ihn auch schmerzte,
daß er kein Regiment erhielt, da angeblich keins frei war. Sein Quartier
erhielt er in Frankenstein, eine Meile von Schoͤnewald, angewiesen, von
wo er fast taͤglich im Hauptquartier und dann auch an der Tafel des
Koͤnigs erschien. Voller Ungeduld harrte er des Beginnes der kriege⸗
1) Carl Friedr. Adam Graf Goerz (1733 -97) war 1760 -62 Kommandeur der
hess. Garde du Corps gewesen, dann in daͤnische, 1771 in preußische Dienste uͤbergetreten.