Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

Die hessischen Subsidienvertraͤge 
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als mancher moderne Historiker. Er sagt von seinem Großvater: „Ex ver⸗ 
handelte das Blut seiner Untertanen an die Englaͤnder und Hollaͤnder, 
wie jene herumstreifenden Tartaren, die ihre Herden den Metzgern 
Podoliens verkaufen, um ihnen den Hals abschneiden zu lassen.“ Aber 
derselbe große Friedrich war dabei doch so sehr das Kind seiner Zeit, 
daß er selber ungescheut Subsidienvertraͤge abschloß und sehr gluͤcklich 
war, als Hessen⸗Cassel auf Grund ebensolcher Vertraͤge ihm im Sieben—⸗ 
aͤhrigen Kriege einen sehr schaͤtzbaren Beistand leistete. 
Seit Menschengedenken war es allgemein uͤblich, daß die deutschen 
und andere Fuͤrsten ihre Heere als Einnahmequelle verwandten. Nicht 
nur die autokratischen Souveraͤne taten das, sondern sogar die freien 
Schweizer, die, alter Tradition folgend, Leib und Blut ihrer Eidgenossen 
an die franzoͤsischen Koͤnige vermieteten. Wie viele Leute, die alljaͤhr⸗ 
lich den sterbenden Loͤwen im Luzerner Gletschergarten andaͤchtig be— 
wundern, denken wohl daran, daß die Treue, der Thorwaldsen sein herr⸗ 
liches Denkmal gewidmet hat, einem fremden Koͤnige galt und mit barem 
Gelde bezahlt war! Erst die amerikanische Revolution mit ihrer Er— 
klaͤrung der Menschenrechte und die von amerikanischer und franzoͤsischer 
Seite einsetzende gewaltige litterarische Agitation schuf allmaͤhlich einen Um⸗ 
schwung in der oͤffentlichen Meinung, die vorher nichts, aber auch rein 
zarnichts Verfaͤngliches in der Vermietung der Truppen gefunden haͤtte. 
Der hessische Erbprinz war und blieb von dem Wehen dieses modernen 
Beistes voͤllig unberuͤhrt. Fuͤr ihn, der in den Traditionen seines Hauses 
aufgewachsen war, dessen Vater und Großvater mehrfach persoͤnlich an 
der Spitze „verkaufter“ Hessenheere, also selber mitverkauft! ins Feld 
zgezogen waren, verstand es sich von selbst, daß seine Soldaten fuͤr die 
untrennbaren, auch finanziellen Interessen des Landesherrn und des Landes, 
zwischen denen es fuͤr ihn keinen Unterschied gab, wo es sein mußte, zu dienen 
hatten. Weit davon entfernt, in den Subsidienvertraͤgen etwas Unbilliges 
zu sehen, hielt er sie vielmehr fuͤr eine unentbehrliche Maßregel zur Auf—⸗ 
rechterhaltung des von ihm so hoch geschaͤtzten deutschen Militaͤrwesens. 
Als er im Jahre 17685 dazu schritt, fuͤr sich selbst ein kleines Corps 
zu formieren, da war von Anfang an der Gedanke in ihm, die Kosten 
dafuͤr durch Subsidien fremder, groͤßerer, kapitalkraͤftiger Potentaten auf⸗ 
zubringen. Schon damals bemuͤhte er sich um daͤnische Subsidien, aber 
die Verhandlungen mit Kopenhagen zerschlugen sich ebenso wie spaͤtere 
mit den Generalstaaten von Holland, trotzdem sie immer wieder von 
neuem aufgenommen wurden. An England hatte der Prinz noch nicht 
gedacht, bis auf einmal der Abfall der amerikanischen Kolonien vom
	        
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