Muͤnzkabinet Rothschild Bautaͤtigkeit 109
Wilhelm selber verschmaͤhte nicht, Unterricht im Radieren zu nehmen.
Sein Lehrer war der Kupferstecher Joh. Jakob Muͤller, ein ehe—
maliger Schmied, der sich vom Handwerker zu einem achtbaren Kuͤnst⸗
ler aufgeschwungen hatte und besonders als Kartograph geschaͤtzt wurde.
Der Erbprinz war stets ein fleißiger Zeichner gewesen, beschaͤftigte sich in
seinen Mußestunden gern mit Malen und Skizzieren und trieb daneben seine
noch immer nicht vergessenen Drechselkuͤnste. Mit seinem alten Lehrmeister
an der Drehbank Spengler (S. 34) stand er noch in Verbindung. Als
Verwalter der Kopenhager Kunstkammer besorgte ihm dieser manches
schaͤtzbare Stuͤck zu der wertvollen Muͤnzen- und Medaillensammlung,
die Wilhelm neben seiner ebenfalls zaͤrtlich gehuͤteten Bibliothek im Hanauer
Schloß angelegt und der Obhut des Reg.Rats Wegnerh), eines
Bruders seines Kopenhager Fortifikationslehrers, anvertraut hatte. Der
Sammeleifer des Prinzen auf diesem Gebiete fuͤhrte auch zur ersten Ver—
bindung mit dem geschaͤftsklugen Frankfurter Juden Mayer Amschel
Rothschild?) die spaͤter eine welthistorische Bedeutung gewinnen sollte.
Das aͤußere Bild der Stadt Hanau erhielt in diesen Jahren fuͤr lange
Zeit sein charakteristisches Gepraͤge. Die ganze Umgebung des durch
huth's Anbauten erweiterten Schlosses erfuhr eine durchgreifende Ver⸗
inderung. Mit der Schleifung der Festungswerke wurde bereits 1767
hegonnen. Sie schuf nicht nur Raum fuͤr die gaͤrtnerischen Anlagen
der englischen Bosketts, die mit Rampen und Wegen bis zum Graben
hinabfuͤhrten, sondern verbesserte auch die gesundheitlichen Zustaͤnde der
Residenz. 1771 wurden die beiden alten Tore der Altstadt, das
Metzgertor und das Kinzdorfertor, abgebrochen und dadurch ein besserer
Straßenverkehr ermoͤglicht. Zwischen Altstadt und Neustadt entstand
auf den ehemaligen Festungswerken neben einem großen Kuͤchengarten
der ausgedehnte Paradeplatz mit einer Esplanade vor den 1768 er⸗
richteten Neubauten des Komoͤdienhauses und Collegiengebaͤudes, und
die bescheidenen Baumreihen der Esplanade begeisterten einen zeitgenoͤssischen
Dichter zu einer idyllischen Schilderung dieser Schoͤpfung:
1) Joh. Jakob Wegner aus Eutin, 7 11. Nov. 1790 zu Hanau als Geh.Reg.Rat
and Konsistorialassessor 77 Jahr, 8 Monate alt.
2) Die erste Bekannlschaft vermittelte angeblich der hannoͤv. Genexal v. Estorff
bei einer Schachpartie, in der R. einspringen mußte, worauf der Erbprinz sagte: „Sie
haben mir keinen Dummen rekommandiert, Herr General“. Mayer Amschel Rothschild
1743-1821), der Begruͤnder des Welthauses, erhielt den Titel „Hoffaktor“, erst um
1802 wurde er „Oberhofagent“. Das Meiste, was uͤber die beiderseitigen Beziehungen
erzaͤhlt wird, ist legendaͤr. Das Staͤrkste in dieser Hinsicht hat Luise Muͤhlbach in
hrer Gartenlaubennovelle „Der Kurfürst und der Geldfürst“ (1863) geleistet.