Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

100 Landgraf Friedrichs Vorschlaͤge Seine zweite Heirat 
ihm vertraulich folgende Vorschlaͤge seines Vaters unterbreitete. Land— 
graf Friedrich II. verlangte danach die Anerkennung seiner Sou⸗ 
veraͤnitaͤt uͤber Hanau und erbot sich dafuͤr, seinen Sohn als staͤndigen 
Statthalter der Grafschaft zu bestaͤtigen, ihm seine bisherigen Revenuen 
zu belassen, ja dieselben noch erheblich zu erhoͤhen, und zeigte sich schließ⸗ 
lich geneigt, dem Prinzen das Kommando uͤber die gesamte hessische 
Armee zu uͤbertragen. Ablehnendenfalls werde er dagegen zu einer neuen 
Ehe schreiten. Da selbst im Falle einer Nachkommenschaft Friedrichs 
aus einer zweiten Ehe das politische Erbrecht Wilhelms unantastbar 
war, so konnte die letzte Drohung nur in finanzieller Hinsicht nicht 
zanz wirkungslos sein. Aber trotz derselben und trotz der unzweifel⸗ 
haften Vorteile, die das Anerbieten des Landgrafen enthielt, was auch 
Groschlag nicht genug unterstreichen konnte, lehnte Wilhelm den Vor— 
schlag rundweg ab. Er handelte damit ganz im Sinne seiner bis an 
ihr Ende unversoͤhnlich gebliebenen Mutter, aber ausschlaggebend war 
fuͤr ihn doch der Gedanke, daß er nichts von seiner Unabhaͤngigkeit als 
Souveraͤn abgeben duͤrfe. In Hanau war er unumschraͤnkter Herrscher, 
durch keine Landstaͤnde und keine Assekurationsakte irgendwie behindert 
wie sein Vater, und dieses unschaͤtzbare Gut der Unabhaͤngigkeit war 
ihm mehr wert als die lockenden Versprechungen, die gerade fuͤr ihn, 
der den Wert des Geldes schon damals, wenn auch nicht so sehr wie 
in spaͤteren Jahren, zu schaͤtzen wußte, und den die Stellung eines 
Oberbefehlshabers der hessischen Armee vielleicht noch mehr reizen mußte, 
biel Verfuͤhrerisches hatten. 
Die Verhandlungen zerschlugen sich, und Wilhelm kehrte nach Hanau 
zuruͤck. Landgraf Friedrich II. aber fuͤhrte seine Drohung aus 
und gab noch vor Jahresfrist seinen Soͤhnen eine Stiefmutter. Am 
10. Januar 1773 heiratete er zu Berlin die Prinzessin Philippine 
von Brandenburg-Schwedt, ein Schritt, womit der alternde 
Fuͤrst sich selbst freilich mehr strafte als seine Soͤhne. Die damals 
28 jaͤhrige Prinzessin (* 10. Okt. 1745 als Tochter des uͤbelbeleumundeten 
Markgrafen Friedrich Wilhelm) hatte auf den Berliner Maskenbaͤllen 
als Venus geglaͤnzt, galt fuͤr sehr schoͤn, aber auch als schlecht exzogen 
und unvertraͤglich von Charakter. Nachdem ihre vielen fruͤheren Heirats⸗ 
projekte sich zerschlagen hatten — erst sollte sie den Prinzen von Preußen 
(Friedrich Wilhelm II.), dann den juͤngeren Prinzen Heinrich heiraten, 
ja sogar der Kaiser Joseph und die spaͤteren schwedischen Koͤnige 
Gustav III. und Carl XIII. hatten auf ihrer Liste gestanden! —, ge— 
schah die Annahme des landgraͤflichen Heiratsantrags gewiß nicht aus
	        
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