8 Tod der Landgraͤfin Marie 1772
weiflung kaum bemeistern, als ihn die Mutter noch einmal herzlich in
hre Arme nahm. Die Erinnerung an diesen Moment hat ihn nie ver—
lassen. „Es war ein Abschied fuͤr immer, niemals habe ich sie wieder⸗
gesehn. Meine Traͤnen stroͤmen, waͤhrend ich diese Zeilen schreibe, und
benetzen dies Papier. O Du wuͤrdigste aller Frauen, Du liebste aller
Muͤtter, warum haben wir Dich auf immer verlieren muͤssen! Vielleicht
werde ich Dich in der Ewigkeit wieder treffen, die ich ohne Furcht und
im Vertrauen auf Gottes Gnade erwarte. Wenn ich jemals meine
angebetete, meine herzliebe Mutter gekraͤnkt habe, so bitte ich Gott schon
hier aufs demuͤtigste um Verzeihung.“
Am naͤchsten Morgen (14. Januar 1772) um 7 Uhr tat die Land⸗
graͤfin ihren letzten Atemzug. Sie war noch nicht 49 Jahre alt ge⸗
worden. Frau v. Schenk, ihr geliebtes „Steinchen,“ die einzige Ge⸗
faͤhrtin ihrer letzten Tage, druͤckte ihr die Augen zu. Die Trauer war
allgemein. Auch Caroline fuͤhlte, wieviel sie an der Schwiegermutter,
auf die sie manchmal, nicht ohne Grund, eifersuͤchtig gewesen war, ver—
loren hatte. Kuriere jagten nach Cassel, London und Schleswig mit
der Todesnachricht. Der Landgraf antwortete sofort und fragte wegen
des Ortes des Begraͤbnisses an, respektierte aber den letzten Wunsch
seiner Frau, die in Hanau ihre letzte Ruhestaͤtte begehrt hatte. Vier⸗
zehn Tage lang stand die Leiche auf dem Paradebett, zu dem sich das
Volk in Massen draͤngte, dann fand am Abend des 1. Februar die
Beisetzung in der Ahnengruft der Muͤnzenberger Grafen in der refor⸗
mierten Kirche der Altstadt statt, die 46 Jahre spaͤter zur Erinnerung
an die Tote den Namen Marienkirche erhielt. Wilhelm schritt als
erster hinter dem von 12 Offizieren getragenen Sarge und gab sich keine
Muͤhe, die immer wieder hervorbrechenden Traͤnen zu verbergen. Er
fuͤhlte wohl, erst jetzt stand er ganz allein auf eigenen Fuͤßen, aber sein
guter Genius war von ihm gegangen.