Full text: Kurfuerst Wilhelm I. Landgraf von Hessen. Ein Fuerstenbild aus der Zopfzeit

36 Wilhelms Herzenskaͤmpfe und Gewissensbisse 
ehemann gelten koͤnnen. Aber man ist nun einmal ein Mann, folglich 
schwach, und die langen Jahre und die der Verfuͤhrung besonders aus⸗ 
gesetzte Situation eines Souveraͤns triumphierten schließlich uͤber die 
besten Grundsaͤtze.“ Aus einer harmlosen Schwaͤrmerei, wegen der die 
Landgraͤfin ihren Sohn neckte, wurde eine gluͤhende Leidenschaft, gegen 
die der Prinz vergebens anzukaͤmpfen suchte. Mehrmals versuchte er 
sich aus den Banden des schoͤnen Weibes zu befreien, das auch fuͤr 
die Huldigungen anderer hoher Herren, namentlich des Herzogs v. Glou⸗ 
cester) nicht unempfaͤnglich war. Aber die daraus entstehenden Eifersuchts⸗ 
szenen steigerten noch die Leidenschaft des Prinzen, und als die Land⸗ 
graͤfin Masrie endlich merkte, wie es um ihren Sohn stand, und ihn 
warnen wollte, da war es schon zu spaͤt. Im Herbst 1770 erfuhr 
schließlich auch Caroline von der liaison ihres Mannes. Ihre Vorwuͤrfe 
und die eigenen Gewissensbisse quaͤlten ihn dermaßen, daß er bei einem 
gemeinsamen Besuch in Kirchheim⸗Bolanden im November dieses Jahres 
zusammenbrach und heftig erkrankte. Im Bette liegend, versoͤhnte er 
sich wieder mit Carolinen und schrieb es seiner Mutter, die gluͤcklich 
daruͤber war. „O mein liebster Bylly“ antwortete sie am 28. November, 
„ich habe in diesem Augenblick deinen Brief bekommen, ich wuͤnsche dir 
Gluͤck von ganzem Herzen zu dem Sieg, den du uͤber dich gewonnen 
hast und daß du dich deiner Frau eroͤffnet hast, die dich liebt, die an 
dir haͤngt und die du damit begluͤckt hast. Sie ist, des bin ich sicher, 
zufrieden gestellt und wird ihr Bestes tun, um die Freundschaft zu ver⸗ 
dienen, die du ihr damit bewiesen hast, daß du auf alles verzichtest, 
was sie kraͤnken koͤnnte“ Wilhelm erholte sich erst wieder, als auf 
seinen Wunsch seine Mutter selber aus Hanau herbei geeilt kam, um 
noch einmal das reumuͤtige Gestaͤndnis des in Traͤnen zerfließenden 
Suͤnders und sein Versprechen, sich zu bessern, entgegen zu nehmen. 
Aber der Sieg uͤber sich selbst war doch noch nicht vollstaͤndig. Im 
Herbst des folgenden Jahres mußte er noch einmal nach Kirchheim⸗ 
Bolanden fluͤchten, um die gefaͤhrliche Naͤhe der schoͤnen Verfuͤhrerin zu 
meiden. Über ein Vierteljahr war er mit seinem Bruder Friedrich 
zusammen als Gast bei den weilburgischen Freunden, die alles Moͤgliche 
taten, um den, durch die seelischen Erschuͤtterungen hart Mitgenommenen 
auf andere Gedanken zu bringen. 
1) Bruder Georgs III. von England. Er war im Okt. 1770 mit seiner Mutter, 
der verwitweten Prinzessin von Wales, in Hanau. Bei diesem Besuch kam es zu 
peinlichen Situationen, da die Landgraͤfin Marie ihre Schwaͤgerin nicht ausstehen konnte 
und ihr nicht die Hand reichen wollte. Wilhelm wußte nicht, „welchen Heiligen er in 
seiner Verzweiflung anrufen sollte.“ Nur durch die Vermittelung des gerade an—⸗ 
wesenden Herzoas von Weilburg wurde ein Affront vermieden.
	        
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